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Thoma, Hans

Kinder-und Puttenreigen

Entstehungsjahr 1874
Technik Öl auf Kreidegrund auf Hartfaserplatte
Maße 33,5 x 26 cm
Münchener-Nr. 9914
Linz-Nr. 357
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Hans Thoma (1839–1924) erlernte das Lithografie-Handwerk und ging bei einem Stubenmaler in die Lehre.[1] 1859 wird er in die Karlsruher Kunstschule aufgenommen, wo er u. a. Landschaftsmalerei bei Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863) studierte. Nach Aufenthalten in Düsseldorf und Paris kehrte er 1868 in seinen Heimatort Bernau im Schwarzwald zurück und widmete sich Figurenbildern und Landschaften. In den folgenden Jahren pflegte er Kontakt zum Leibl-Kreis. Ab 1876 wurde Frankfurt am Main für zwei Jahrzehnte sein Lebensmittelpunkt. Erst spät erlangte Thoma Anerkennung als er 1899 zum Galeriedirektor und Vorsteher eines Meisterateliers an der Kunstakademie in Karlsruhe berufen wurde. Beruflicher Höhepunkt war die Eröffnung des Hans-Thoma-Museums in der Karlsruher Kunsthalle 1909 zu seinem 70. Geburtstag. Als Thoma 1924 verstarb hinterließ er ein enorm umfangreiches Lebenswerk. Dieses zeigt wie fest er mit seiner Heimat verbunden war. Folgerichtig schuf er daher zahlreiche Schilderungen des heimatlich-bäuerlichen Lebens zu denen Bildnisse der Mutter, Schwester, Ehefrau, Selbstbildnisse sowie Schwarzwaldbauern und -bäuerinnen zählen.

Das Gemälde zeigt eine Gruppe von Kindern mit Putten sowie Ziegen im Freien. Im Vordergrund sind ein Junge mit Flöte sowie ein Mädchen mit langen dunklen Haaren dargestellt, um sie herum vier tanzende Putten. Am rechten Bildrand sitzt ein Putto auf einer Ziege, dahinter ist eine weitere Ziege zu sehen. Im Hintergrund befinden sich Bäume sowie ein Landhaus. Als Titel sind „Kinder- und Puttenreigen“[2], „Reigen“[3] sowie „In der Villa Borghese“[4] überliefert.

Das Werk ist mittig links signiert und datiert „H T H 1874“.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: „357“ (Linz-Nummer).[5]

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 33/34, Leipzig 1999, S. 47ff.

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9914.

[3] Vgl. Galerie Heinemann online, Hans Thoma, Reigen, Kunstwerk-ID: 11400. URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-11400.htm [Abruf: 16.06.2020].

[4] Vgl. Ausst.kat. Hans Thoma. Hundert Gemälde aus deutschem Privatbesitz, Nationalgalerie, Berlin 1922, Tafel 85.

[5] Laut Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9914. Die Angaben konnte nicht am Original überprüft werden.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Spätestens ab 1922–13.07.1938Berthold Nothmann (1865–1942), Berlin
13.07.1938–14.09.1938Galerie Heinemann, München
14.09.1938–Oktober 1938Galerie Almas, München
Ab Oktober 1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
18.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2006Bundesvermögen
2006Restitution

Spätestens ab 1922 befand sich das Gemälde in der Sammlung von Berthold Nothmann (1865–1942), Berlin.[1] Nothmann stammte aus einer oberschlesischen Familie und war seit dem Ende des Ersten Weltkrieges als Generaldirektor der Oberschlesischen Stahlwerksgesellschaft tätig.[2] Seine Sammlung umfasste vornehmlich Werke von deutschen und französischen Künstlern, darunter Wilhelm Trübner (1851–1917), Adolph von Menzel (1815–1905), Wilhelm Leibl (1844–1900), Max Liebermann (1847–1935), Theodor Alt (1846–1937) sowie Paul Cézanne (1839–1906), Hans von Marées (1837–1887), Franz Marc (1880–1916), Henri Matisse (1869–1954), Paul Gauguin (1848–1903), Camille Corot (1796–1875) und Henri Rousseau (1844–1910).[3] Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde Nothmann als Jude verfolgt.[4] Zusammen mit seiner Ehefrau Martha Nothmann (1874–1967), geborene Bender, verließ er Deutschland im Jahre 1939. Zuvor verkaufte er einige Kunstwerke, da ihm alle Konten gesperrt wurden.

Von Nothmann wurde das Gemälde von Thoma am 13. Juli 1938 von der Münchener Galerie Heinemann für RM 8.000,- erworben.[5]

Die Galerie Heinemann wurde im Jahre 1872 von David Heinemann (1819–1902) mit Schwerpunkt auf Werken deutscher Künstler des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in München gegründet.[6] Bis zu ihrer „Arisierung“ im Jahre 1938 zählte die Galerie zu den bedeutendsten Kunsthandlungen in Deutschland und pflegte einen internationalen Kundenstamm. Das Geschäft führte mehrere Dependancen, unter anderem in Frankfurt am Main, Nizza und New York. Im Jahre 1890 übernahmen die Söhne von David Heinemann die Galerie. Während Hermann Heinemann (1857–1920) und Theobald Heinemann (1860–1929) das Münchner Geschäft leiteten, stand der älteste Bruder Theodor Heinemann (1855–1933) bis 1914 der New Yorker Dependance vor. Nach dem Tod Theobald Heinemanns im Jahre 1929 führte seine Witwe Franziska Heinemann (1882–1940) gemeinsam mit dem Sohn Fritz Heinemann (1905–1983) die Galerie fort. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war die Familie Heinemann aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen. Fritz Heinemann schied im Januar 1938 aus dem elterlichen Kunsthandel aus und emigrierte im Mai desselben Jahres in die Schweiz. Seinen Anteil am Geschäft übernahm Friedrich Heinrich Zinckgraf (1878–1954), ein langjähriger Mitarbeiter der Galerie Heinemann.[7] Nach den Pogromen am 9. November 1938 wurde auch der Geschäftsanteil von Franziska Heinemann durch Zinckgraf „arisiert“. Dieser wurde nach komplizierten Verhandlungen jedoch erst Ende 1939 alleiniger Inhaber der Galerie, die er im Mai 1941 in „Galerie am Lenbachplatz“ umbenannte. Franziska Heinemann reiste im Februar 1939 in die USA aus.

Am 14. September 1938 verkaufte die Galerie Heinemann das Gemälde an die Münchener Galerie Almas für RM 11.300,-.[8]

Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[9] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[10]

Von der Galerie Almas wurde das Werk im Oktober 1938 durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nummer 357.[11]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 18. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[12] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt.

Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Ausst.kat. Nationalgalerie, Berlin 1922, Tafel 85.

[2] Vgl. Matthias Weller/Nicolai B. Kemle/Thomas Dreier, Handel – Provenienz – Restitution. Tagungsband des Zwölften Heidelberger Kunstrechtstags am 20. und 24. Oktober 2018, Bd. 31 der Schriften zum Kunst- und Kulturrecht, Baden-Baden 2020, S. 15f.

[3] Vgl. ebd. und Jürgen Trimborn, Arno Breker. Die Künstler und die Macht. Die Biografie, Berlin 2011, o. S.

[4] Für das Folgende vgl. Galerie Heinemann online, Hans Thoma, Reigen, Kunstwerk-ID: 11400. URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-11400.htm [Abruf: 16.06.2020].

[5] Vgl. ebd.

[6] Für das Folgende vgl. ebd., Geschichte der Galerie Heinemann. URL: http://heinemann.gnm.de/de/geschichte.html [Abruf: 06.03.2019].

[7] Für das Folgende vgl. Birgit Jooss, Galerie Heinemann. Die wechselvolle Geschichte einer jüdischen Kunsthandlung zwischen 1872 und 1938, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012, S. 69–84, hier S. 81f. URL: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/2754/1/Jooss_Galerie_Heinemann_2012.pdf [Abruf: 06.03.2019].

[8] Vgl. Galerie Heinemann online, Hans Thoma, Reigen, Kunstwerk-ID: 11400. URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-11400.htm [Abruf: 16.06.2020].

[9] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv (BWA) München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[10] Vgl. National Archives and Records Administration (NARA), Washington, D. C., RG 260, 519, Box 445.

[11] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9914. Laut fälschlicher Aussage von Almas-Dietrich vom 12.03.1949 erwarb sie das Werk von der Kunsthandlung Gerstenberger in Chemnitz.

[12] Vgl. ebd.

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