Bund restituiert NS-Raubkunst aus der Sammlung Arthur und Eugen Goldschmidt
Datum 21.08.2024
Nach NS-verfolgungsbedingtem Entzug erwarb Adolf Hitlers „Sonderauftrag Linz“ das Landschaftsgemälde von Carl Blechen 1944. Bis 1941/42 hatte das Gemälde Edgar Moor, dem Neffen und (späteren) Alleinerben von Arthur und Eugen Goldschmidt gehört.
Die Kunstverwaltung des Bundes hat das Gemälde „Das Mühlental bei Amalfi“ von Carl Blechen an den Restitutionsberechtigten nach Edgar Moor (1912–1994) zurückgegeben. Das Werk entstand um 1830 nach einer Italienreise des Künstlers. Es basiert auf einer Naturstudie aus Blechens Amalfi-Skizzenbuch. Bis 1941/42 stand das Gemälde im Eigentum von Edgar Moor, Neffe und Erbe der Brüder Arthur und Eugen Goldschmidt (1882–1938 u. 1878–1938) aus Berlin. Der NS-Staat entzog es Moor mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Grundlage der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz im November 1942. Dies ergaben Provenienzrecherchen der Kunstverwaltung des Bundes und des von Kulturstaatsministerin Claudia Roth geförderten OFP-Projektes am Brandenburgischen Landeshauptarchiv. Im Rahmen dieses Projektes werden die Akten der ehemaligen „Vermögensverwertungsstelle“ beim Oberfinanzpräsidenten (OFP) Berlin-Brandenburg digitalisiert und ausgewertet.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Die Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubs ist wichtiger Teil der Erinnerung an die Verfolgten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Mit der Rückgabe des NS-verfolgungsbedingt entzogenen Gemäldes von Carl Blechen werden nun auch die Schicksale von Arthur und Eugen Goldschmidt sowie Edgar Moor ein Stück weit sichtbarer. Dafür danke ich dem gesamten Forschungsteam der Kunstverwaltung des Bundes und des OFP-Projekts von Herzen.“
Dr. Christoph Faden, Direktor der Kunstverwaltung des Bundes: „Ich freue mich, dass die Zusammenarbeit zwischen der Kunstverwaltung des Bundes und dem von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg gemeinsam geförderten OFP-Projekt am Brandenburgischen Landeshauptarchiv die notwendigen Erkenntnisse geliefert und somit die Restitution des Gemäldes erst möglich gemacht hat.“
Andrea Enderlein, Vertreterin des Restitutionsberechtigten nach Moor: „Die Rückgabe des Kunstwerkes ist von großer Bedeutung für die Familie und deren Geschichte. Mein Mandant ist sehr dankbar für die damit einhergehende Anerkennung der Tatsache, dass dieser Kunstraub das Resultat von Hetze und der Verfolgung der Brüder Dr. Arthur Goldschmidt und Dr. Eugen Goldschmidt gewesen ist.“
Die Brüder Arthur und Eugen Goldschmidt besaßen in ihrem Berliner Wohnsitz eine umfassende Kunstsammlung, die Gemälde, Grafiken, Skulpturen und kunsthandwerkliche Objekte umfasste. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft waren sie in der NS-Zeit etlichen, speziell gegen sie gerichteten antisemitischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Infolge der Novemberpogrome 1938 nahmen sie sich das Leben. Ihr Neffe und Erbe Edgar Moor, der ebenfalls jüdischer Herkunft war, emigrierte im selben Jahr von Berlin nach Johannesburg, von wo aus er in die Vereinigten Staaten gelangte. Die Kunstsammlung verblieb in der Berliner Wohnung seiner Onkel, wo sie im Juli 1942 von der Gestapo beschlagnahmt und im November desselben Jahres vom NS-Staat entzogen wurde. In der Folge gelangte das Blechen-Gemälde höchstwahrscheinlich über die „Vermögensverwertungsstelle“ beim Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg und den Berliner Kunsthändler Hans W. Lange am 5. September 1944 in die Sammlung von Hitlers „Sonderauftrag Linz“.
Das Gemälde lagerte daraufhin im sogenannten „Führerbau“ in München, aus dem es vermutlich Ende April 1945 gestohlen wurde. 1946 übergab die Münchner Kriminalpolizei das Werk an den Central Collecting Point (CCP) in München, wo es die Inventarnummer 20037 erhielt. Auf der Grundlage von Artikel 134 Grundgesetz ging das Objekt 1960 als ehemaliges Reichsvermögen in Bundesvermögen über. Zuletzt wurde es als Leihgabe des Bundes von der Stiftung Fürst-Pückler-Museum – Park und Schloss Branitz in Cottbus gezeigt.
Die ausführlichen Ergebnisse der Provenienzforschung zu dem Gemälde sind in der Provenienzdatenbank des Bundes unter www.provenienzdatenbank.bund.de veröffentlicht.
Über die Kunstverwaltung des Bundes
Die Kunstverwaltung des Bundes ist eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Sie nimmt Aufgaben des Bundes auf den Gebieten der Kunstverwaltung und Provenienzforschung, der Kulturförderung sowie des Kulturgutschutzes wahr.
Sie erforscht proaktiv die Herkunft der Kulturgüter des Bundes insbesondere im Hinblick auf im Nationalsozialismus erfolgte unrechtmäßige Entziehungstatbestände. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht sie in der Provenienzdatenbank des Bundes und restituiert ermittelte Raubkunst an die legitimierten Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger der früheren Eigentümerinnen und Eigentürmer.
Hintergrund
In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden insbesondere Personen jüdischer Herkunft systematisch entrechtet und verfolgt. Viele der im Nationalsozialismus Verfolgten waren gezwungen, ihr Eigentum, darunter eine Vielzahl von Kulturgütern, aufzugeben oder zu verkaufen, um etwa durch den NS-Staat eingeführte diskriminierende Sonderabgaben begleichen oder ihre oftmals lebensrettende Emigration ins Ausland finanzieren zu können. Zudem erließ das NS-Regime Gesetze und Verordnungen, um das Vermögen vor allem jüdischer Eigentümerinnen und Eigentümer direkt enteignen zu können.
Die Kunstverwaltung des Bundes gibt Kulturgüter, bei denen ein NS-verfolgungsbedingter Entzug in der Zeit zwischen 1933 und 1945 identifiziert werden kann, an die verfolgte Person bzw. ihre Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger zurück. Grundlage für die Rückgabe bilden die „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ (Washingtoner Prinzipien) vom 3.12.1998 und die darauf aufbauende „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ (Gemeinsame Erklärung) vom 9.12.1999.