Bund restituiert NS-Raubkunst: Gemälde von Ferdinand Georg Waldmüller der Erbengemeinschaft nach Grete Klein übergeben
Datum 29.07.2025
Vermutlich seit 1918 gehörte das Ölgemälde zur Kunstsammlung der österreichischen Unternehmerin Grete Klein. Nach NS-verfolgungsbedingtem Entzug war es eines von über 60 Werken des Künstlers in Adolf Hitlers „Sonderauftrag Linz“.
Die Kunstverwaltung des Bundes hat das Gemälde „Hansl’s erste Ausfahrt (Heimkehrende Kinder)“ von Ferdinand Georg Waldmüller an die Erbinnen und Erben nach Grete Klein zurückgegeben. Es wurde der österreichischen Unternehmerin NS-verfolgungsbedingt entzogen, vermutlich infolge des sogenannten „Anschluss“ Österreichs zwischen März und Dezember 1938.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer: „Jede Rückgabe ist ein wichtiges Zeichen, der historischen Verantwortung Deutschlands für die Gräuel der NS-Zeit gerecht zu werden. Mit dieser Rückgabe erkennt der Bund das Schicksal von Grete Klein an, die vor den Nationalsozialisten fliehen musste und enteignet wurde. Wir bekennen uns zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien und werden Fälle des NS-Kulturgutraubs weiterhin entschlossen aufarbeiten.“
Dr. Christoph Faden, Direktor der Kunstverwaltung des Bundes: „Die Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubs ist wichtiger Teil der Erinnerung an die Verfolgten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, zu denen auch Grete Klein gehörte. Ich freue mich sehr, dass wir dieses Werk persönlich an die Erbinnen und Erben nach Grete Klein übergeben konnten. Auch diese Restitution unterstreicht die zentrale Rolle der Provenienzforschung bei der Aufarbeitung der Vergangenheit. Den Provenienzforschenden gilt daher mein besonderer Dank.“
Die Erbinnen und Erben nach Grete Klein: „Die Nachkommen der Familie Klein aus Mödling, die auf allen fünf Kontinenten zerstreut wurden, freuen sich, dass der Tag gekommen ist, an dem ein Gemälde aus der Kunstsammlung ihrer Großeltern zurückgegeben wird. Dieser Moment stellt unserer Meinung nach einen bedeutenden Schritt in der Aufarbeitung der NS-verfolgungsbedingten Vermögensverluste dar.“
Grete Klein (geb. Fischer, 1884–1962) lebte in Mödling und Wien. Zweifellos gehörten sie und ihr Ehemann Karl Klein (1879–1955) aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs im März 1938 zu den Verfolgten des NS-Regimes. Am 5. Januar 1939 schloss der NS-Staat Grete Kleins Babyschuhfabrik in Wien und verkaufte sie an eine nicht-jüdische Mitarbeiterin des Betriebs. Schmuck und Silber musste das Ehepaar Klein aufgrund einer Verordnung des NS-Regimes im Februar 1939 unter Wert an eine öffentliche Ankaufstelle veräußern. Im Dezember 1939 flohen Grete und Karl Klein nach Palästina; ihr in Österreich verbliebenes Vermögen ging auf das Deutsche Reich über, auch ihre Villa in Mödling enteigneten die Nationalsozialisten. Laut Familienüberlieferung befanden sich in der enteigneten Villa neben dem Waldmüller ca. 35 weitere Gemälde, darunter Werke von Friedrich Gauermann und anderen Künstlern. Auch eine umfangreiche Sammlung an geschliffenen Gläsern aus Böhmen und Zinntellern mit „Judaica“-Motiven gehörten zum Inventar der Mödlinger Villa. Bis heute gelten alle Kunstgegenstände als verschollen.
Provenienzrecherchen von Gregor Derntl unter Mitarbeit von Dr. Jakob Eisler sowie der Kunstverwaltung des Bundes ergaben, dass auch das Gemälde „Hansl’s erste Ausfahrt“ Grete Klein NS-verfolgungsbedingt entzogen wurde. Die Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich, über die das Gemälde spätestens im Dezember 1938 an Adolf Hitlers (Vorläufersammlung des) „Sonderauftrag Linz“ gelangte, profitierte bei ihren Erwerbungen von der antisemitischen Verfolgungspolitik des NS-Staats erheblich; nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs war sie vielfach auch dort aktiv. Obwohl nicht lückenlos nachverfolgt werden konnte, wann genau der Verkauf bzw. Verlust des Waldmüller-Gemäldes stattgefunden hat, lassen die recherchierten Fakten auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug zwischen März und Dezember 1938 schließen.
Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) war ein österreichischer Genre- und Landschaftsmaler. Über 60 Gemälde Waldmüllers wurden für den „Sonderauftrag Linz“ erworben.
Nach dem Krieg stellten die amerikanischen Streitkräfte das Werk im Salzbergwerk Altaussee in der Steiermark sicher. Sie überführten es am 27. Juli 1945 in den Münchner Central Collecting Point (CCP), wo es unter der Nummer 1740 inventarisiert wurde. Auf Grundlage von Artikel 134 Grundgesetz ist das Gemälde 1960 als ehemaliges Reichsvermögen in den Kunstbestand des Bundes gelangt. Zuletzt befand es sich als Leihgabe im Museum Wiesbaden, wo es am 10.07.2025 durch die Kunstverwaltung des Bundes persönlich an die Erbinnen und Erben nach Grete Klein übergeben wurde.
Die ausführlichen Ergebnisse der Provenienzforschung zu dem Waldmüller-Gemälde sind in der Provenienzdatenbank des Bundes unter www.provenienzdatenbank.bund.de veröffentlicht.

Über die Kunstverwaltung des Bundes
Die Kunstverwaltung des Bundes ist eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Sie nimmt Aufgaben des Bundes auf den Gebieten der Kunstverwaltung und Provenienzforschung, der Kulturförderung sowie des Kulturgutschutzes wahr.
Sie erforscht proaktiv die Herkunft der Kulturgüter des Bundes insbesondere im Hinblick auf im Nationalsozialismus erfolgte unrechtmäßige Entziehungstatbestände. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht sie in der Provenienzdatenbank des Bundes und restituiert ermittelte Raubkunst an die legitimierten Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger der früheren Eigentümerinnen und Eigentümer.
Mit dem Waldmüller-Gemälde hat die Kunstverwaltung des Bundes seit Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien von 1998 nunmehr 71 Kulturgüter und eine umfassende Bibliothek aus diesem ehemaligen Reichsvermögen an die rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümer restituiert. Seit dem Jahr 2000 meldet sie zudem die Kulturgüter aus ihrem Bestand, bei denen ein NS-verfolgungsbedingter Entzug nicht ausgeschlossen werden kann, an die Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste. Darüber hinaus macht die Provenienzdatenbank des Bundes seit 2007 weitergehende Angaben zu vor 1945 entstandenen Kulturgütern in Bundesbesitz öffentlich zugänglich.
Zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien und der Gemeinsamen Erklärung hat der Bund die Provenienzforschung in den letzten Jahren erheblich gestärkt. So sind allein in der Kunstverwaltung des Bundes fünf Provenienzforschende in Festanstellung mit dieser wichtigen Aufgabe betraut. Dazu stehen sie in engem Kontakt und Austausch mit einschlägigen Forschungsprojekten, Einrichtungen und Fachkolleginnen und Fachkollegen aus dem In- und Ausland.
Hintergrund
In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden insbesondere Personen jüdischer Herkunft systematisch entrechtet und verfolgt. Viele der im Nationalsozialismus Verfolgten waren gezwungen, ihr Eigentum, darunter eine Vielzahl von Kulturgütern, aufzugeben oder zu verkaufen, um etwa durch den NS-Staat eingeführte diskriminierende Sonderabgaben begleichen oder ihre oftmals lebensrettende Emigration ins Ausland finanzieren zu können. Zudem erließ das NS-Regime Gesetze und Verordnungen, um das Vermögen vor allem jüdischer Eigentümerinnen und Eigentümer direkt enteignen zu können.
Die Kunstverwaltung des Bundes gibt Kulturgüter, bei denen ein NS-verfolgungsbedingter Entzug in der Zeit zwischen 1933 und 1945 identifiziert werden kann, an die verfolgte Person bzw. ihre Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger zurück. Grundlage für die Rückgabe bilden die „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ (Washingtoner Prinzipien) vom 03.12.1998 und die darauf aufbauende „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ (Gemeinsame Erklärung) vom 09.12.1999.