Canon, Hans (eigentlich Johann Strašiřipka)
Zigeunerin, Brustbild
Entstehungsjahr | 1858 |
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Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 64 x 50,5 cm |
Münchener-Nr. | 10064 |
Linz-Nr. | 341 |
Lost Art-ID | 218804 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Hans Canon (eigentlich Johann von Strašiřipka, 1829–1885) war ein österreichischer Historien- und Porträtmaler, der sich an den alten Meistern, insbesondere an Peter Paul Rubens (1577–1640), orientierte.[1] Nach großen Reisen (Frankreich, England, Orient) und längeren Aufenthalten in Karlsruhe und Stuttgart, kehrte der Künstler in seine Geburtsstadt Wien zurück, wo er bis an sein Lebensende wirkte. Neben genrehaften Figurenbildern sowie zahlreichen Porträts, schuf Canon auch eine Vielzahl dekorativer Werke für Architekturen. Hierzu zählen bedeutende Schöpfungen wie die Ausschmückung der monumentalen Neubauten in Wien, die Wandbilder des großherzoglichen Wartesaals des Bahnhofes in Karlsruhe, die Lünetten oder das große Deckenbild für das Stiegenhaus des K.u.K. Naturhistorischen Hofmuseums in Wien.
Das Gemälde zeigt eine junge Frau im Dreiviertelporträt nach rechts, den Blick über die rechte Schulter auf den Betrachter gerichtet. Ihr dunkles, locker hochgestecktes Haar fällt leicht über ihren freigelegten Rücken. Sie trägt eine weiße Bluse, darüber einen roten Überwurf, der über ihrer rechten Schulter zu einer Schleife zusammengebunden ist, sowie eine goldene Halskette.
Das Werk ist signiert und datiert „Canon 1858“.
Im Werkverzeichnis von Drewes (1994) konnte das Gemälde nicht eindeutig nachgewiesen werden.[2]
Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „10064“ (Mü-Nr.); weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „341“ (Linz-Nr.); in Schwarz „K 564“ (Kremsmünster); in Weiß „N581“ (nicht identifiziert); blauer Stempel „Von der Zentralstelle für Denkmalschutz zur Ausfuhr freigegeben“ (Ausfuhrstempel Zentralstelle für Denkmalschutz Wien, 1934–1940); auf dem Rahmen, silber umrandetes, schwarzes Messingschild „M. Albrecht / Vergolderei und Rahmengeschäft / München, Telefon 56354 / Paul-Heysestr. 19“ (Vergolderei und dem Rahmengeschäft).
[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Leipzig 1999, Bd. 5, S. 511f.
[2] Vgl. Franz Josef Drewes, Hans Canon (1829–1885). Werkverzeichnis und Monographie, Hildesheim/Zürich/New York 1994. Drewes nennt ein Gemälde mit dem Titel „Damenporträt“ (Kat. Nr. 20), das 1929 auf der Canon-Gedächtnisausstellung als Eigentum von Leo Brill in Wien ausgestellt war. Im Katalog der Gedächtnisausstellung findet sich dazu keine Abbildung, jedoch war dieses „Damenporträt“ signiert und auf 1858 datiert. Es wäre daher möglich, dass dieses Werk mit dem Bildnis in heutigem Bundesbesitz identisch ist. Für das Entstehungsjahr 1858 nennt der Autor ein weiteres Porträt einer Dame (Kat. Nr. 21), bei welchem allerdings die Maße sowie die Beschreibung nicht übereinstimmen. Bei den Skizzen und Studien, die Drewes in seiner Publikation aufführt, konnte keine mit dem hier zu untersuchenden Gemälde identifiziert werden. Vgl. ebd. S. 178.
Provenienz
(…) | |
Vor August 1938 | Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“) |
Ab Mai 1941 | Eingang in das Depot Kremsmünster |
Ab Sommer 1943 | Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee |
18.10.1945 | Eingang in den Central Collecting Point München |
Seit 1949 | Bundesvermögen |
Das Gemälde wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt durch das Deutschen Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nr. 341. Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb vor August 1938 hin.[1] Zur Herkunft des Werkes ist derzeit nichts bekannt. Ein Stempel der Zentralstelle für Denkmalschutz in Wien auf der Rückseite des Werkes belegt dessen Ausfuhr aus Österreich in den Jahren zwischen 1934 und November 1940.[2]
Die Nummer K564 auf der Property Card sowie auf der Bildrückseite weist auf die Lagerung des Gemäldes im Depot Kremsmünster hin.[3] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrages Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[4] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[5]
Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 18. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[6] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.
Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[7]
Stand: 2019
[1] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004, S. 14 (unpubliziert). Siehe auch: BArch, B 323/332. Aussage von Hans Reger, München vom 21.07.1951.
[2] Vgl. Theodor Brückler (Hg.), Kunstraub, Kunstbergung und Restitution in Österreich 1938 bis heute, Wien/Köln/Weimar 1999, S. 266 und Auskunft von Julia Eßl (Albertina Museum), Wien vom 22.10.2019.
[3] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10064.
[4] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.
[5] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.
[6] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10064.
[7] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 20.09.2019].