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Zügel, Heinrich von

Zwei Kühe auf der Weide [Zwei Kühe auf der Weide unter Kopfweiden]

Entstehungsjahr 1893
Technik Öl auf Leinwand
Maße 73,00 x 107,00 cm
Münchener-Nr. 10694
Linz-Nr. 1123/801
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Heinrich von Zügel (1850–1941) war ein deutscher Genre- und Tiermaler.[1] Zügel wurde 1850 als Sohn eines Schäfereibesitzers in Murrhardt geboren. 1869 studierte er an der Kunstschule Stuttgart und lebte dann, gefördert von dem Tier- und Landschaftsmaler Anton Braith (1836–1905), in München als freischaffender Künstler. 1887 ging er für einen Studienaufenthalt nach Paris. Es folgten Aufenthalte in Holland (1889), Belgien (1890), auf Finkenwerder (1896) und in der Lüneburger Heide (1901/04). 1894/95 unterrichtete Zügel als Lehrer an der Akademie Karlsruhe und von 1895 bis 1922 an der Kunstakademie in München. Er war Gründungsmitglied der Vereinigung Münchner Sezession. In seiner ersten Schaffensperiode widmete Zügel sich dem malerischen Realismus der Münchner Schule, während sein späteres Schaffen von impressionistischen Werken geprägt ist. Neben Darstellungen von heimischen Tieren, die zu seinen bevorzugten Motiven gehörten, schuf er gelegentlich auch Bildnisse. Neben Max Liebermann, Lovis Corinth und Max Slevogt zählt Zügel zu den bedeutenden Malern des deutschen Impressionismus. 1907 wurde ihm vom bayerischen König der persönliche Adelstitel verliehen.

Das Gemälde zeigt zwei Kühe, die auf einer Weide an einem Bach stehen. Am rechten Bildrand, auf der anderen Weidenseite, befinden sich zwei Bäume.

Das Werk ist signiert „H Zügel München“, jedoch nicht datiert. Eine Entstehungszeit um 1893 wird angenommen.[2] 

Laut Property Card befinden sich folgende Merkmale auf dem Werk[3]: „Linz 1123/801“ (Linz-Nr.); „K 143“ (Kremsmünster); „Abgerissener Zettel: 19970“ (Zinckgraf Nr., Provenienzmerkmal vor 1945); „12224 (Blaustift)“ (nicht identifiziert); „Gal. Heinemann Nr. 10722“ (Provenienzmerkmal vor 1945).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 36, Leipzig 1999, S. 581f.

[2] Vgl. Galerie Heinemann online, Recherche, Heinemann-Nr. 10722, URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-44606.htm [Abruf: 07.05.2020].

[3] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10694. 

Provenienz

Zeittafel
(…) 
25.11.1910–1913Galerie Heinemann, München
1913–01.07.1939Dr. Alexander Lewin (1879–1942), Guben, Verkauf über Treuhänder Dr. Ludwig Kastl (?–?)
01.07.1939 – vermutlich bis 06.11.1940Galerie Zinckgraf, München
Vermutlich 06.–08.11.1940Galerie Almas, München, und Heinrich Hoffmann (1885–1957), München
Vermutlich ab 08.11.1940Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
19.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2005Bundesvermögen
2005Restitution

Der Jurist Dr. Alexander Lewin (1879–1942) erwarb das Werk von Zügel 1913 bei der Galerie Heinemann in München.[1]                                                                                    

Die Galerie Heinemann wurde im Jahre 1872 von David Heinemann (1819–1902) mit Schwerpunkt auf Werken deutscher Künstler des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in München gegründet.[2] Bis zu ihrer „Arisierung“ im Jahre 1938 zählte die Galerie zu den bedeutendsten Kunsthandlungen in Deutschland und pflegte einen internationalen Kundenstamm. Das Geschäft führte mehrere Dependancen, unter anderem in Frankfurt am Main, Nizza und New York. Im Jahre 1890 übernahmen die Söhne von David Heinemann die Galerie. Während Hermann Heinemann (1857–1920) und Theobald Heinemann (1860–1929) das Münchner Geschäft leiteten, stand der älteste Bruder Theodor Heinemann (1855–1933) bis 1914 der New Yorker Dependance vor. Nach dem Tod Theobald Heinemanns im Jahre 1929 führte seine Witwe Franziska Heinemann (1882–1940) gemeinsam mit dem Sohn Fritz Heinemann (1905–1983) die Galerie fort. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war die Familie Heinemann aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen.

Alexander Lewin war seit 1920 Generaldirektor der 1888 gegründeten Berlin-Gubener Hutfabrik in Guben.[3] Seit Anfang 1938 war er zudem Honorarkonsul Portugals.[4] Lewin besaß eine Sammlung mit über 80 Kunstwerken, darunter Impressionisten und Postimpressionisten sowie holländische Gemälde. Er bekannte sich zum katholischen Glauben, wurde jedoch im Januar 1938 aufgefordert seine Abstammung nachzuweisen.[5] Nach den nationalsozialistischen Rassengesetzen galt Lewin als „Mischling ersten Grades“ und gehörte damit zum Kreis der Kollektivverfolgten. Bei Bekanntwerden dieser Tatsache im März 1938 befand sich Lewin vorgeblich zur Erholung in der Schweiz. Anfang Januar 1939 fand in der von ihm bewohnten Villa in Guben eine Devisenprüfung statt.[6] Im dabei angefertigten Verzeichnis wurde das Gemälde unter dem Titel „Tierleben (Kühe)“ aufgenommenen.[7] Ende des Jahres 1938 schied Lewin aus dem Vorstand der Berlin-Gubener Hutfabrik aus.[8] Der Rechtsanwalt Dr. Ludwig Kastl (?–?) wurde am 10. März 1939 per Sicherungsanordnung als Treuhänder über das Vermögen Lewins eingesetzt.[9] Aus einem vertraulichen Aktenvermerk der Devisenstelle vom 24. September 1938 geht hervor, dass sich Lewin zu diesem Zeitpunkt im Ausland befand.[10] Ihm war die Emigration in die Schweiz gelungen. Am 1. Juli 1939 veräußerte der Treuhänder Kastl das Gemälde an die Galerie Zinckgraf (vormals Galerie Heinemann) in München.[11] Der Erlös in Höhe von RM 3.400,- wurde auf ein Konto der Niederlausitzer Bank überwiesen. Mit Schreiben vom 3. April 1941 gab die Geheime Staatspolizei die förmliche Beschlagnahmung des inländischen Vermögens des Alexander Lewin bekannt.[12]

Friedrich Heinrich Zinckgraf (1878–1954) war langjähriger Mitarbeiter der Galerie Heinemann. Er übernahm nach dem Ausscheiden Fritz Heinemanns (1905–1983) aus dem elterlichen Kunsthandel im Januar 1938 zunächst dessen Anteil am Geschäft.[13] Heinemann emigrierte im Mai desselben Jahres in die Schweiz. Nach den Pogromen am 9. November 1938 wurde auch der Geschäftsanteil der Mutter Franziska Heinemann (1882–1940) durch Zinckgraf „arisiert“. Dieser wurde nach komplizierten Verhandlungen jedoch erst Ende 1939 alleiniger Inhaber der Galerie, die er im Mai 1941 in „Galerie am Lenbachplatz“ umbenannte.

Anfang November 1940 erwarb der „Sonderauftrag Linz“ das Gemälde vermutlich über die Galerie Almas, München, und Heinrich Hoffmann, München.[14] Es erhielt dort die Linz-Nr. 1123/801.

Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[15] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[16]

Die Nummer K 143 auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin. Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[17] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[18]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 19. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht. Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust wurde ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Galerie Heinemann online, Recherche, Heinemann-Nr. 10722, URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-44606.htm [Abruf: 07.05.2020].

[2] Für das Folgende vgl. ebd., Geschichte der Galerie Heinemann. URL: http://heinemann.gnm.de/de/geschichte.html [Abruf: 06.03.2019].

[3] Vgl. Andreas Peter, Nachbarn von einst. Bilder und Dokumente jüdischen Lebens in Guben, Fabrik e.V., Guben 1999, S. 47

[4] Vgl. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, F 1151, Bericht der Devisenprüfer Schatz und Lehmann über die vom 2.–4. Januar 1939 in Sachen Dr. Alexander Lewin, Guben, Blumenstr. 3, z.Zt. im Ausland getroffenen Feststellungen, Guben, 04.01.1939.

[5] Vgl. Bundesarchiv Koblenz, Schreiben des Gauwirtschaftsberaters, NSDAP-Gauleitung Kurmark, an Berlin-Gubener Hutfabrik, Berlin, 15.01.1938, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[6] Vgl. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, F 1151, Bericht der Devisenprüfer Schatz und Lehmann über die vom 2.–4. Januar 1939 in Sachen Dr. Alexander Lewin, Guben, Blumenstr. 3, z.Zt. im Ausland getroffenen Feststellungen, Guben, 04.01.1939.

[7] Vgl. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, F 1151, Verzeichnis der in der Villa des Herrn Dr. Lewin, Guben, Blumenstr. 3. heute, am 3. Januar 1939 aufgenommenen Gemälde.

[8] Vgl. Auszug aus der Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Berlin-Gubener Hutfabrik A.-G., Guben, zu Berlin am 2. Dezember 1938, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[9] Vgl. Sicherungsanordnung auf Grund § 59 des Dev.-Ges. vom 12.12.1938, o.O., 10.03.1939, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[10] Vgl. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, F 1151, Aktenvermerk, Berlin, 24.09.1938.

[11] Hier wurde es erfasst unter der Zinckgraf Nr. 19970. Für Folgendes vgl. BArch, B 323/332, Schreiben Ludwig Kastl an Office of the United States High Commissioner for Germany, Paulhof-Agatharied, 22.01.1951, und  Liste Zinckgraf vom 3.05.1949.

[12] Vgl. Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, F 1151, Geheime Staatspolizei an Ludwig Kastl, Frankfurt/Oder, 03.04.1941.

[13] Für das Folgende vgl. Birgit Jooss, Galerie Heinemann. Die wechselvolle Geschichte einer jüdischen Kunsthandlung zwischen 1872 und 1938, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012, S. 69–84, hier S. 81f. URL: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/2754/1/Jooss_Galerie_Heinemann_2012.pdf [Abruf: 06.03.2019].

[14] Für das Folgende vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10694. Darauf ist vermerkt: „1.7.1939 von Dr. Lewin über Dr. Kastl, München an Galerie Zinckgraf, München. / 8.11.1940 von dort verkauft (457-B-99 Zinckgraf) Gal. Zinckgraf Nr. 19970. / 6.11.1940 Galerie Almas, München und Heinrich Hoffmann, München erworben. (Linz-Report Att. 44).“ Vermutlich wurden die Ankaufsdaten in der falschen Reihenfolge festgehalten.  

[15] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[16] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.

[17] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[18] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

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