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Waldmüller, Ferdinand Georg

Großmutter mit drei Enkelinnen

Entstehungsjahr 1864
Technik Öl auf Holz
Maße 50 x 39 cm
Münchener-Nr. 10879
Linz-Nr. 697
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) war ein österreichischer Genre- und Landschaftsmaler.[1] Der Künstler studierte an der Wiener Akademie. Ab 1829 wurde er sowohl zum Professor als auch Kustos der Gemäldegalerie an der Kunstakademie in Wien berufen. Der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens manifestierte sich ab 1830. Ausgiebige Reisen führten Waldmüller nach Italien und in zahlreiche Adels- und Königshäuser in West- und Mitteleuropa. Neben Napoleon III. (1808–1873) besaß das englische Königshaus einige seiner Bilder. Sowohl Wilhelm I. von Preußen (1797–1888) als auch der österreichische Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) ehrten ihn mit Orden. Über die Malerei hinaus engagierte sich der Künstler politisch in zahlreichen Schriften für die Abschaffung der staatlichen Ausbildungsstätten. Waldmüller gilt als einer der bedeutendsten Maler im Biedermeier und der Romantik im deutschsprachigen Raum. Er hinterließ etwa 1.200 Ölgemälde, vereinzelt Aquarelle und Zeichnungen in den Skizzenbüchern. Unter seinen Schülern finden sich bedeutende Künstler wie Hans Canon (1829–1885) und Anton Romako (1832–1889).

Das Gemälde zeigt eine in einer Bauernstube im Lehnstuhl sitzende ältere Frau, die drei Kindern, ihren Enkelinnen, einen Brief vorliest. Im Bildhintergrund an der Wand hängend sind drei Gemälde von Waldmüller wiedergegeben. Das rechte Bild ist unter dem Titel „Mutterglück" bekannt.[2]

Das Werk ist unten an der Fußbank signiert und datiert „Waldmüller 1864“.

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Feuchtmüller (1996) enthalten.[3]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „796“ (Linz-Nr.); in blauer Fettkreide „10879“ (Mü-Nr.); weißes Etikett, handschriftlich „697/570 / FERD. GG. WALDMÜLLER“ („Sonderauftrag Linz“); in Bleistift „No 697“ (Linz-Nr.); rotes Etikett „1931 / 1126“ (nicht identifiziert); vergilbtes Etikett, handschriftlich „K. B. 6 / […] / Zimmer“ (nicht identifiziert) ; vergilbtes Etikett, darauf innerhalb einer Palette mit Pinseln maschinenschriftlich „W. KOLLER & COMP. / CHEMIKER, / Malerleinwanden- / und Farbenfabrikanten für Künstler, / in Oel- und Wassermalerei / WIEN / Mariabilier Hauptstrasse Nr. 9, Liechernen Turm“, darauf handschriftlich in Schwarz „1911 extra / 2920. / [unleserlich]“ (Künstlerzubehör); eingestanzt „W. KOLLER & Co. / III WIEN“ (Künstlerzubehör); mehrere Etiketten und Aufschriften ehemaliger Leihnehmer (nach 1945)

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 35, Leipzig 1999, S. 74f.

[2] Vgl. Ausst.kat. Ferdinand Georg Waldmüller, Residenz Salzburg, 15.06.-15.09.1953, Katalog-Nummern 127 und 148.

[3] Vgl. Rupert Feuchtmüller, Ferdinand Georg Waldmüller 1793–1865, Wien 1996, WVZ-Nr. 1090.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Bis 29.–30.01.1883Josef oder Friedrich Krzisch (?–?), Wien
29.–30.01.1883–12.01.1891Franz Terzer (?–?), Wien, erworben über Kunst-Auction C. J. Wawra, Wien
12.01.1891Kunst-Auction C. J. Wawra, Wien
(…) 
Bis 15.–17.03.1939Ernst (1865–1950) und Else Henne Gotthilf (1874–1965), Wien
15.–17.03.1939–um April 1939Galerie Almas, München, erworben über Auktionshaus Weinmüller, Wien
Um April 1939Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
19.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2012Bundesvermögen
2012Restitution

Das Wiener Kunstauktionshaus C. J. Wawra versteigerte das Gemälde 1883 an Franz Terzer (?–?), Wien.[1] Eingeliefert wurde das Werk laut Katalog von Krzisch. Im Adressbuch der Gesellschaft Wiens und der österreichischen Kronländer von 1913 sind zwei Herren mit diesem Familiennamen verzeichnet: Josef und Friedrich.[2]

Terzer ließ seine Gemäldesammlung moderner Meister, darunter auch das Gemälde von Waldmüller, am 12. Januar 1891 wiederum über Wawra versteigern.[3]

Später war das Genregemälde von Waldmüller Teil der Sammlung Ernst und Else Gotthilf, Wien.[4] Der Oberbaurat Ernst Donath Gotthilf (1865–1950) und seine Ehefrau Else Henne (1874–1965), geborene Zifferer, waren jüdischer Abstammung.[5] Nach dem „Anschluss“ Österreichs emigrierten sie im Sommer 1939 nach Großbritannien. Zur Beschaffung der notwendigen Reisemittel sowie zur Bezahlung von Sonderabgaben war das Ehepaar gezwungen, Teile seines Kunstbesitzes zu veräußern. 1938 übergaben sie der Wiener Kunsthändlerin Dr. Viktoria (Vita) Maria Künstler (1900–2001) eine Anzahl Gemälde zum Zwecke der Veräußerung, darunter auch das von Waldmüller.[6]

Die Werke standen folglich in der Auktion am 15./16./17. März 1939 im Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller in Wien zum Verkauf. Insgesamt 68 Objekte aus der Sammlung Gotthilf wurden im Rahmen dieser Auktion angeboten.[7] Im zugehörigen Auktionskatalog ist das Gemälde von Waldmüller unter dem Titel „Die Großmutter im Lehnstuhl liest ihren drei Enkelinnen einen Brief vor“ als Losnummer 463 enthalten. Als Schätzpreis sind RM 10.000,- angegeben.[8]

Als Käuferin trat die Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich auf. Sie erwarb das Gemälde auf der Auktion zum Zuschlagspreis von RM 7.000,-.[9]

Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[10] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[11]

Von Almas-Dietrich wurde das Gemälde vermutlich im April 1939 vom Deutschen Reich für den „Sonderauftrag Linz“ angekauft.[12] Dies geht aus Befragungen in der Nachkriegszeit hervor. Schriftwechsel und Belege zu diesem Rechtsgeschäft konnten nicht ermittelt werden. Das Gemälde erhielt die Linz-Nr. 697.[13]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 19. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.   Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887-1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust wurde ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Für Folgendes vgl. Aukt.kat. Verzeichnis der Gemälde moderner Meister aus Privatbesitz, Kunst-Auction von C. J. Wawra, Wien, 29.-30.01.1883, Kat.Nr. 94 („Im Stübchen der Grossmutter“), annotierte Version im Nederlands Instituut voor Kunstgeschiedenis, Den Haag.

[2] Vgl. Adressbuch der Gesellschaft Wiens und der österreichischen Kronländer, Wien 1913, S. 182.

[3] Vgl. Auk.kat. Gemäldesammlung moderner Meister aus dem Besitze des Herrn Franz Terzer in Wien [...], Kunst-Auction von C. J. Wawra, Wien, 12.01.1891, Kat.Nr. 180 („Im Grossmutterstübchen“).

[4] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Datenbank Kunst- und Kulturgutauktionen 1933–1945“, Auktion Weinmüller 15.–17.03.1939, Los 463, Einlieferer: Ernst Gotthilf. URL: http://www.lostart.de/Webs/DE/Provenienz/Weinmueller/Auktionsobjekt.html?cms_param=AOBJ_ID%3D36047%26_page%3D3%26_sort%3D%26_anchor%3Did70996%26ABET_ID%3D59317 [Abruf: 19.05.2020].

[5] Für das Folgende vgl. Monika Mayer, Jenseits von Klimt. Zur Provenienzforschung in der Österreichischen Galerie Belvedere, in: Gabriele Anderl, Christoph Bazil et al., … wesentlich mehr Fälle als angenommen. 10 Jahre Kommission für Provenienzforschung, Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung, Bd. 1, Böhlau 2009, S. 93–106, hier S. 105. Zum Schicksal von Ernst und Else Gotthilf siehe auch: Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Beschluss der Kommission für Provenienzforschung über die Rückgabe eines Gemäldes von Amerling aus der ehemaligen Sammlung ernst Gotthilf in der Österreichischen Galerie Belvedere, 01.06.2007. URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Gotthilf_Ernst_2007-06-01.pdf [Abruf: 19.05.2020].

[6] Vgl. Schreiben Vita Künstler, Wien vom 04.11.1938 inklusive Liste der zu verkaufenden Kunstwerke.

[7] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Datenbank Kunst- und Kulturgutauktionen 1933–1945, Auktion Weinmüller 15./16./17.03.1939. URL: www.lostart.de/Webs/DE/Provenienz/Weinmueller/AuktionBet.html?cms_param=ABET_ID%3D59317

[Abruf: 03.04.2020].

[8] Vgl. Auk.kat. Antiquitäten, Möbel, Plastik, Gemälde alter und neuer Meister: Gläser, Porzellan, darunter eine Reihe bedeutender Wiener Tassen des 18. Jahrhunderts, Silber, Juwelen, Möbel, Teppiche, Plastik des 15. bis 18. Jahrhunderts, Hauptwerke der Wiener Malerei, Kunstversteigerungshaus Adolf Weinmüller, Wien, 15./16./17.03.1939, S. 46, Los 463, Abb. Tafel XIII.

[9] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Datenbank Kunst- und Kulturgutauktionen 1933–1945, Auktion Weinmüller 15./16./17.03.1939. URL: www.lostart.de/Webs/DE/Provenienz/Weinmueller/Auktionsobjekt.html?cms_param=AOBJ_ID%3D36047%26_page%3D3%26_sort%3D%26_anchor%3Did70996%26ABET_ID%3D59317 [Abruf: 03.04.2020].

[10] Vgl. BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[11] Vgl. NARA, RG 260, 519, Box 445.

[12] Vgl. BArch Koblenz, B 323, Nr. 331, Aussage Almas-Dietrich vom 14.08.1951, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. 

[13] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10879.

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