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Feuerbach, Anselm Friedrich

Dantes Tod mit der Erscheinung Beatrices

Entstehungsjahr 1858
Technik Öl auf Leinwand
Maße 98,7 x 75,0 cm
Münchener-Nr. 1559
Linz-Nr. 691
Lost Art-ID 219181
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Anselm Feuerbach (1829–1880) war ein deutscher Maler und bedeutender Vertreter der Malerei des deutschen Idealismus im 19. Jahrhundert.[1] Der Künstler wurde als Sohn eines Philologen in Speyer geboren. Ersten Zeichenunterricht erhielt er ab 1843 an der Universität Freiburg. Ab April 1845 studierte er bei Wilhelm von Schadow (1788–1862), Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863) und Carl Friedrich Lessing (1808–1880) an der Düsseldorfer Akademie. Seine Studien setzte er 1848 in München und 1850 in Antwerpen fort. Von Mai bis Sommer 1852 war Feuerbach in Paris, wo er im Louvre die alten Meister kopierte und von Eugen Delacroix (1798–1863), Gustav Courbet (1819–1877) sowie Thomas Couture (1815–1879) beeinflusst wurde. Der Künstler lebte ein Jahr in Basel, bevor er, finanziert durch ein Stipendium des Großherzogs von Baden, im Mai 1855 zusammen mit dem Dichter Josef Victor von Scheffel (1826–1886) nach Italien reiste. Hier entstanden seine wichtigsten Werke, darunter die beiden Fassungen der Iphigenie, das Gastmahl des Plato und die großformatige Amazonenschlacht. Feuerbach blieb von 1856 bis 1873 in Rom. Im Jahre 1872 erhielt er eine Professur an der Akademie der Künste in Wien als Vorstand und Leiter der Meisterklasse für Historienmalerei, die er jedoch erst 1873 antrat. Seit längerer Zeit erkrankt, bat Feuerbach 1876 um seine Entlassung und siedelte noch im selben Jahr nach Venedig über, wo er im Jahre 1880 verstarb.

In seiner Pariser Studienzeit beschäftigte sich Feuerbach mit Dantes „Göttliche Komödie“ und fasste den Entschluss, die Komödie malerisch umzusetzen.  Während seines Italienaufenthaltes von 1856 bis 1873 entstand bereits 1857/58 in Rom das große Gemälde „Dante und die edlen Frauen von Ravenna“. Als Ergebnis der weiteren Auseinandersetzung ist das vorliegende Gemälde einzuschätzen.

Das Bild, eine Ölstudie, gehört neben einer verschollenen Kreidezeichnung mit einem Teilentwurf und Einzelstudien zu den Vorstudien eines geplanten größeren Gemäldes, dessen Ausführung unterblieb. [2]

Lorbeerbekränzt sitzt der scharlachrot gewandte Dichter nach halb links sitzend zurückgesunken auf seinem Thron. Seine Tochter Antonia kniet zu seinen Füßen und hält seine Rechte. Ein junger Mann stützt den zusammengesunkenen Körper Dantes. Niederkniende, betende Frauen und Männer umfangen die Szene und blicken gebannt auf den Sterbenden. Dante schaut verklärt auf die Erscheinung der Beatrice, seiner Jugendliebe, die sich in einer Glorie, umgeben von musizierenden Putten, ihm nähert. Die Bildidee der „Erscheinung Beatrice“ ist überlagert von der Idee der „Heiligen Jungfrau“ in Anlehnung an Raffaels Sixtinische Madonna.[3]

Das Werk ist unten links signiert und datiert „A. Feuerbach 1858“.

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Uhde-Bernays (1929) und Ecker (1991) enthalten.[4] Darüber hinaus wurde die einschlägige Literatur zum Künstler überprüft.[5]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: mit weißer Kreide „112“ (nicht identifiziert); auf oberem Holm des Keilrahmens in blauer Fettkreide „1559“ (Mü-Nr.); auf weißem Etikett mit schwarzem Stift „691/597“ (Linz-Nr.); auf dem linken Holm des Keilrahmens in Blaustift „8898“ (nicht identifiziert); handschriftlich mit schwarzem Stift „Feuerbach“; auf rechtem Holm des Keilrahmens mit weißer Kreide „Nr. 961“ (nicht identifiziert); in Blaustift „889“ (nicht identifiziert); mit weißer Kreide „691“ (Linz-Nr.).

[1] Für das Folgende vgl. Irmgard Wirth, Feuerbach, Anselm, in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 111–113. URL: www.deutsche-biographie.de/pnd118532731.html#ndbcontent [Abruf: 13.03.2019].

[2] Ausst.kat. Anselm Feuerbach. Werke in Speyer,Verein Feuerbachhaus Speyer/Kunstverein Speyer, Speyer 1990, S. 76, Kat.Nr. 18.; Marianne Arndt, Die Zeichnungen Anselm Feuerbachs. Studien zur Bildentwicklung, Bonn 1968, Kat.Nr. 8.

[3] Ausst.kat. Anselm Feuerbach. Historisches Museum der Pfalz, Speyer 2002-2003, Ostfildern-Ruit 2002, S. 138.

[4] Hermann Uhde-Bernays, Feuerbach. Beschreibender Katalog seiner sämtlichen Gemälde, München 1929, S. 70, Kat.Nr. 175, Abb. 152; Jürgen Ecker, Anselm Feuerbach. Leben und Werk, kritischer Katalog der Gemälde, Ölskizzen und Ölstudien, München 1991, S. 76, Kat.Nr. 18.

[5] Friedrich von Boetticher, Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1, Leipzig 1948 (unveränd. Neudruck v. 1891), S. 314, Nr. 66; Julius Allgeyer, Anselm Feuerbach. Sein Leben und seine Kunst, Bamberg 1894; Julius Allgeyer/Carl Neumann (Hg.), Anselm Feuerbach. (2 Bd.) Berlin 1904 (2. Aufl. von 1894); Hermann Uhde-Bernays, Feuerbach. Des Meisters Gemälde in 200 Abbildungen, Stuttgart 1913, S. 70, Kat.Nr. 113; Ausst.kat. Feuerbach-Ausstellung zur Feier des 100. Geburtstages des Meisters. Neue Pinakothek, München Sept. - Okt. 1929; Ausst.kat. Anselm Feuerbach (1829-1880). Gemälde und Zeichnungen, Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, 5. Juni - 15. August 1976, München 1976, S. 243, Abb. 31.

Provenienz

Zeittafel
(...)
1880Ausstellung Dresdner Kunstverein in Berlin
(...)
1894Otto Friedrich Ludwig von Wesendonck, Berlin
(...)
1913Prof. Dr. Freiherr von Bissing, München
(...)
1929Privatbesitz / Kunsthandlung Sperling München
(...)
Vermutlich ab 1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
10.07.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Das Gemälde wurde 1880 im Dresdener Kunstverein  ausgestellt.[5] 1891 befand es sich im Besitz von O. Wesendonck Berlin. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wird als Besitzer Freiherr von Bissing, München, genannt. Im Jahre 1929 wurde das Gemälde in der Ausstellung zum 100. Geburtstag von Anselm Feuerbach in der Münchener Pinakothek präsentiert. Als Besitzer firmiert die Münchener Kunsthandlung Sperling. Angaben zum Datum der Einlieferung für den Sonderauftrag Linz sind nicht vermerkt.[6]

Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes. In den Unterlagen im Bundesarchiv Koblenz im Bestand Treuhandverwaltung für Kulturgut der OFD München konnte das Einlieferungsdatum noch nicht verifiziert werden.[7]

Auf Grund der niedrigen Linzer Nummer ist davon auszugehen, dass das Gemälde um 1938 erworben wurde.

Ab Juli 1938 begann die Gesamtregistrierung der bisher eingelagerten Bilder im Keller des „Führerbaus“ in München in der Arcisstrasse 12 durch den Architekten Hans Reger, später wurden die Gemälde für das geplante Linz-Museum bestimmt. Die Nummerierung bis zur ersten Registrierung lief bis zur Linz-Nummer 360/380. Die weitere Registrierung lief bis 1939/40 nicht streng chronologisch, da mehrfach vor 1937 und 1938 angekaufte Bilder zu Ausstellungszwecken oder als Wandschmuck weggegeben wurden und erst nach ihrer Rückkehr die Registriernummer erhielten.[8]

 Die kunsthistorischen Recherchen bestätigen die Angaben der TVK München. So befand sich die vorliegende Ölskizze zunächst im Besitz des deutschen Kaufmanns, Kunstmäzens und Förderers von Richard Wagner, Otto Friedrich Ludwig von Wesendonck (1815 – 1896).[9] Wesendonck übernahm die Vertretung des Handelshauses Loeschigk, Wesendonk & Co für Europa, 1844 ließ er sich in Düsseldorf nieder. 1850 zog er sich aus allen Geschäften zurück und ließ sich mit einem großen Vermögen in Zürich nieder. 1855 erbaute er eine herrschaftliche Villa, in der er ab 1857 mit seiner Familie wohnte und sich u.a. eine große Kunstsammlung zulegte. 1872 verkaufte er seine Villa – die heute das Museum Rietberg beherbergt – und siedelte nach Dresden über, wo die vorliegende Ölstudie im Dresdner Kunstverein 1880 ausgestellt wurde.[10] Wesendonck lebte seit 1882 in Berlin, wo er 1896 verstarb. 1913 verweist Hermann Uhde-Bernays bei der Herkunft des Bildes auf Professor Dr. Freiherr von Bissing in München.[11] Friedrich Wilhelm von Bissing (22. April 1873 Potsdam - 12. Januar 1956 Oberaudorf am Inn), deutscher Ägyptologe und Orientalist, war der Enkel Wesendoncks, seine Mutter Myrrha Wesendonck (7. August 1851, Zürich – 1888, München), war dessen Tochter. Als Sohn von Moritz von Bissing wurde er in den preußischen Freiherrenstand erhoben. Nach Aufenthalten in Ägypten übernahm er an der Universität München 1906 eine ordentliche Professur. 1922 ging er als Professor an die Universität Utrecht, wo er bis zu seiner Emeritierung 1926 unterrichtete und sich anschließend als Privatgelehrter nach Oberaudorf am Inn zurückzog.

Von Bissing gehörte seit 1925 der NSDAP an, war ein Freund von Rudolf Heß und Träger des Goldenen Parteiabzeichens. 1937 wurde er jedoch auf Grund seiner Zerrissenheit zwischen Parteitreue und protestantischem Glauben aus der Partei ausgeschlossen.[12]

Die Sammlung Wesendonck ließ von Bissing am 27. November 1935 im Kunsthaus Lempertz in Köln versteigern. Die Ölstudie konnte im Auktionskatalog nicht nachgewiesen werden.[13]

Im Jahre 1929 gibt Uhde-Bernays im Werkverzeichnis[14] an, dass sich das vorliegende Gemälde in Privatbesitz befindet.  Im Rahmen der Feuerbach-Ausstellung zur Feier des 100. Geburtstages von Anselm Feuerbach in der Neuen Pinakothek in München wird auch das vorliegende Gemälde präsentiert. Zu diesem Zeitpunkt befindet es sich im Besitz der Kunsthandlung Sperling in München.[15]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 29. Juni 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[16] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[18]

Bearbeitungsstand: 2010

[1] Allgeyer 1894, S. 412, Nr. 129.

[2] Uhde-Bernays 1913, S. 70, Nr. 113.

[3] Uhde-Bernays 1929, S. 70, Nr. 175, Abb. 152.

[4] Ausst.kat. München, 1929.

[5] Für das Folgende vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1559.

[6] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1559.

[7] BArch Koblenz, B 323.

[8] Bericht über die Aussage von Herrn Hans Reger zur Registrierung der Kunstobjekte für den „Sonderauftrag Linz“ vom 21.7.1951. Vgl. BArch Koblenz, B 323/332.

[9] Allgeyer 1894, S. 412, Nr. 129.

[10] Boetticher 1948 (1891), Bd. 1, S. 314, Nr. 66: „E. O. Wesendonck, Berlin – Dresd. KV.80“.

[11] Uhde-Bernays 1913, S. 70, Nr. 113.

[12] Brockhaus 1987, Bd. 3, S. 371.

[13] Auk.kat. Westdeutscher Museumsbesitz. Sammlung Wesendonk, von Bissing, Werke alter Malerei, mit 28 Lichtdrucktafeln, Kunsthaus Lempertz, Köln, 27.11.1935.

[14] Uhde-Bernays 1929, S. 70, Kat.Nr. 175, Abb. 152

[15] Ausst.kat. München 1929.

[16] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1559. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummern lauten Aussee 1358, und 8898

[17] Laut Auskunft in KunstDatenbankBund.

[18] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 20.07.2020].

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