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Lenbach, Franz Seraph von

Frau Professor Roubaud mit Lenbachs Tochter Marion [Frau Prof. Roūbaūd mit Tochter Lenbach Marion (Kniestück)]

Entstehungsjahr 1902
Technik Öl auf Karton
Maße 113 x 74 cm
Münchener-Nr. 1677
Linz-Nr. 699/572
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Franz Seraph von Lenbach (1836–1904) zählte zu den Münchener „Malerfürsten“.[1] Als Sohn eines Maurers stammte er aus einfachen Verhältnissen. Seit 1847 hatte er sich dem Zeichnen und Malen gewidmet und lernte 1852/1853 bei verschiedenen Malern, unter anderem an der Königlichen Polytechnischen Schule in Augsburg sowie bei Georg Hiltensperger (1806–1890) und Hermann Anschütz (1802–1880) an der Münchener Akademie. 1857 trat Lenbach in das Atelier des Historienmalers Karl Theodor von Piloty (1826–1886) ein. 1863 bis 1880 war er als Kunstberater von Adolf Friedrich Graf von Schack (1815–1894) in München, Rom, Florenz sowie in Madrid tätig. Seine dadurch vertieften Kenntnisse Alter Meister nutzte er für seine Spezialisierung als Porträtmaler. Ab 1866 etablierte sich Lenbach als Bildnismaler in München, baute seine Kontakte aus und somit seine gesellschaftliche Stellung. 1882 wurde ihm der Titel „Ritter von Lenbach“ verliehen. Die Winter verbrachte er im Palazzo Borghese. Von 1887–1890 ließ der Architekt Gabriel von Seidl (1848–1913) das Lenbachhaus errichten – eine repräsentative Villa nach dem Vorbild der italienischen Renaissance und des Barock am Münchner Königsplatz.[2] Auf Grundlage von Fotografien entstanden Bildnisse seiner prominenten Auftraggeber aus Politik und Kultur, darunter Richard Wagner (1813–1883), Helmut Graf von Moltke (1800–1891), die beiden deutschen Kaiser Wilhelm I. (1797–1888) und Wilhelm II. (1859–1941), Kaiser Franz Josef I. von Österreich-Ungarn (1830–1916), Prinzregent Luitpold von Bayern (1821–1912), Otto von Bismarck (1815–1898) und viele weitere. Charakteristisch für seine Bildnisse ist die Kombination aus warm ausgeleuchteten, detailliert wiedergegebenen Kopfpartien mit sehr sorgfältig charakterisierten Gesichtszügen und skizzenhaften Details.

Das Gemälde zeigt ein Kniestück der Frau Roubaud (?–?) in Seitenansicht von rechts. Sie hält Marion Lenbach (1891–?), die älteste Tochter des Künstlers, die auf einem Stuhl steht, auf dem Arm, sodass sich die Köpfe der beiden ungefähr auf gleicher Höhe befinden. Bei der Dargestellten handelt es sich um die Frau des Münchener Akademieprofessors und Historienmalers Franz Roubaud (1856–1928).[3]

Das Werk ist oben links signiert und datiert „F. Lenbach 1902“. 

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: Skizze eines Damenporträts; weißer Zettel, mit Reißzwecke befestigt „1677 (699)“ (Mü-Nr., Linz-Nr.); in blauer Fettkreide „1677“ (Mü-Nr.), „24[…] / […]“ (nicht identifiziert); mehrfach in Schwarz „K i86“ (Kremsmünster); in weißer Kreide „37“ (Auktion Hans W. Lange), mehrfach „No 699“ (Linz-Nr.); in Rot „No. 699“ (Linz-Nr.), mehrfach „8“ (nicht identifiziert); vergilbtes Etikettfragment „446“ (nicht identifiziert), handschriftlich „699/572“ (Linz-Nr.); vergilbtes Etikett „[…] Falz / Gold Comp. […] Imit. Silber / Lieferzeit / […] Gls. Schtz. Kiste /  […]“ (nicht identifiziert); vergilbtes Ettikettfragment;  mehrere Etiketten ehemaliger Leihnehmer (nach 1945); Stempel des Verglasers; Stempel „Eigentum der Bundesrepublik Deutschland“.

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 23/24, Leipzig 1999  S. 43–45.

[2] Vgl. Ausst.kat. Malerfürsten, Bundeskunsthalle, Bonn 2019, S. 116–117.

[3] Vgl. Katalog des Hessischen Landesmuseums, Malerei 1800 bis um 1900, Darmstadt 1979, S.70.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Bis 07.02.1939

Alfred Sommerguth (1859–1950), Berlin

 

07.02.1939Angeboten auf Auktion bei Hans W. Lange, Berlin
(…) 
O. J.Privatbesitz, Deutschland
Mindestens bis August 1940Galerie Almas, München

Nach August 1940

 

Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
30. Juni 1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2003Bundesvermögen
2003Restitution

Der in Magdeburg geborene Dr. Alfred Sommerguth (1859–1950) besaß eine wertvolle Gemäldesammlung. Bis 1920 war er Direktor und Mitinhaber des Berliner Tabakwarenunternehmens Loeser & Wolff.[1] Nach dem Verkauf seiner Anteile war Sommerguth als Bauoberregierungsrat in Berlin tätig. Er und seine Frau Henriette Gertrude (?–1954), geborene Goerke, zählten zum Personenkreis der zwischen 1933 und 1945 aus rassischen Gründen Kollektivverfolgten. Am 7. Februar 1939 wurde die Gemäldesammlung Sommerguth im Berliner Auktionshaus Hans W. Lange als „Berliner Privatsammlung“ zur Versteigerung angeboten.[2] Laut Auktionskatalog erfolgte der Verkauf im Auftrag eines Berliner Bankhauses.[3] Das Werk von Lenbach ist unter der Losnummer 37 im Katalog enthalten und wurde für RM 3.000 zugeschlagen.[4]

Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde das Gemälde Almas durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ angekauft und erhielt die Linz-Nr. 699/572.[5] Die Höhe der Linz-Nummer weist auf einen Erwerb nach August 1940 hin.[6] Laut Aussage von Almas-Dietrich vom 16. März 1949 erwarb sie das Werk „aus deutschem Besitz“.[7]

Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[8] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[9]

1941 gelang den Eheleuten Sommerguth über die Schweiz und Portugal die Emigration nach Kuba.[10]

Die Nummer K 186 auf der Property Card sowie die Aufschriften „K i86“ auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin. Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[11] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[12]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 30. Juni 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht. Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Für das Folgende vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Modul Provenienzrecherche, NS-Raubkunst, Jüdische Sammler und Kunsthändler (Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung), Alfred Sommerguth, URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/S/Sommerguth, Alfred.html [Abruf: 09.06.2020].

[2] Vgl. Auk.kat. Eine Berliner Privatsammlung, Hans W. Lange, Berlin, 07.02.1939.

[3] Vgl. ebd., S. 4.

[4] Vgl. ebd., S. 58, Los 37, Abb. Sowie Preisbericht Hans W. Lange, Berlin, 7.-8.02.1939, in: Weltkunst, Nr. 7/8, 19.02.1939, S. 4.

[5] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1677.

[6] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004, S. 14 (unpubliziert).

[7] Für das Folgende vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1677.

[8] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[9] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.

[10] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Modul Provenienzrecherche, NS-Raubkunst, Jüdische Sammler und Kunsthändler (Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung), Alfred Sommerguth, URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/S/Sommerguth, Alfred.html [Abruf: 09.06.2020].

[11] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[12] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

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