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Meister der Ilsung-Madonna, Meister der Ilsung-Madonna

Zwei weibliche Heilige mit knieendem Bettler und zwei Kindern

Entstehungsjahr um 1485-90
Technik Öl auf Eichenholz
Maße 147 x 51 cm
Münchener-Nr. 11780
Linz-Nr. 3058
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der Flügel gehört zusammen mit einem weiteren Flügel zu einem Sippenaltar, den Ernst Buchner im Jahre 1928 dem „Meister der Ilsung-Madonna“ (Augsburger Meister, 2. H. d. 15. Jh.) zuschrieb.1 Den Hilfsnamen erhielt der Maler aufgrund einer Madonnentafel in der Augsburger Kirche St. Ulrich und Afra, die ein Wappen der angesehenen Patrizierfamilie Ilsung trägt. Buchner zählte den Meister zusammen mit dem so genannten „Meister von 1477“ und Thomas Burgkmair zu den wichtigsten und prägnantesten Malern der Augsburger Spätgotik.
Von den beiden einst vorhandenen Flügeln befindet sich der rechte in Bundesbesitz, über den Verbleib des linken ist nichts bekannt. Ursprünglich stammten die beiden hohen Tafeln aus Düsseldorfer Privatbesitz.2 Irrtümlich wurden sie einem westfälischen Meister zugeschrieben. Das Mittelfeld, so Buchner, welches vermutlich die heilige Sippe gemalt oder geschnitzt zeigte, ist verschollen. Beide Tafeln stellen die Werke der Barmherzigkeit und der Erziehung dar. Jeweils zwei sittsam auf den Boden blickende weibliche Heilige in reicher gotischer Tracht stehen vor einer Steinmauer. Hinter dieser fällt der Blick auf eine steil ansteigende, hügelige Landschaft, die mit gotischer Architektur und Laubbäumen besetzt ist. Überstrahlt wird die Szene durch einen reich verzierten und gepunzten Goldhintergrund. Der rechte Flügel zeigt die heilige Maria Salomas mit dem kleinen Johannes Ev. und Jacobus major und die heilige Elisabeth, die aus einer Zinnkanne einem knienden Bettler Wein in eine Schale gießt. Der verschollene Altarflügel wies einen sehr ähnlichen Aufbau auf: Die heilige Maria Cleophas mit ihren vier Söhnen und neben ihr die heilige Radegund, die einem betenden Pilger das Haar kämmt. Charakteristisch sind die dünnfingrigen, kapriziös bewegten Hände. Aufgrund der schlanken Proportionen der Heiligen und der etwas spröden, herben, spitzpinseligen Malerei wird eine Entstehung der beiden Flügel etwa zeitgleich zur Fertigstellung der Ilsung-Madonna vermutet, die wohl die früheste um 1480/85 entstandene Arbeit des Meisters sein dürfte.3 Buchner vermutete daher, dass die Seitenflügel um 1485/90 gefertigt wurden. 

Provenienz

Zeittafel
Privatbesitz, Düsseldorf4  
1921 Ausstellung „Alte Meister aus Düsseldorfer Privatbesitz“, Düsseldorf 1921, Kat.Nr. 82 und 83 
August 1928 Ankauf der beiden Altarflügel von Arthur Hauth, Düsseldorf, von Roselius für RM 50.400 
6.9.1943 Von dort weiterverkauft an den „Sonderauftrag Linz“ 
 Vorgesehen für Kremsmünster

Die Ermittlungen der TVK München erbrachten, dass die Tafel am 27. September 1943 über das Hamburger Kunsthaus Köster aus Bremer Privatbesitz an den „Sonderauftrag Linz“ für RM 62.000 verkauft worden war.5 Aus diesen Angaben geht aber nicht hervor, dass zwei Flügel eines Altars veräußert wurden, was jedoch der Fall war.

Neuere Ergebnisse geben ein konkretes Bild zur Provenienz des rechten Altarflügels. Im August 1928 erwarb der Bremer Sammler Ludwig Roselius für seine Privatsammlung zwei Altarflügel aus dem Besitz von Arthur Hauth, Düsseldorf.6 Dieser besaß die Arbeiten mindestens seit 1921, weil er sie in diesem Jahr für die Ausstellung „Alte Meister aus Düsseldorfer Privatbesitz“ verliehen hatte.7 Roselius bezahlte 1928 für beide Tafeln RM 50.400. Aus der Sammlung wurden beide Flügel im Oktober 1943 für RM 52.000 an den „Sonderauftrag Linz“ verkauft.8 Laut der Inventarkarte der Ludwig-Roselius-Sammlung waren sie bereits am 6. September des Jahres an die „Staatsgalerie Dresden“ (Gemäldegalerie Dresden) – vermutlich zur Ansicht – gesandt worden. Aus einem Schreiben von Johannes Jantzen an Herrn Puvogel vom 27. November 1943 geht hervor, dass der Verkauf der beiden Tafeln für RM 52.000 an den Beauftragten des Führermuseums Linz tatsächlich erfolgt ist.9 Puvogel erhielt eine Provision in Höhe von RM 5.000. In das von Hans Reger geführte Inventarverzeichnis der Werke, die für den „Sonderauftrag Linz“ vorgesehen waren, wurde jedoch nur eine Altartafel eingetragen. Dort bezeichnet als „Anonym, Deutsch um 1480, Altarflügel mit 2 weibl. Heiligen u. Bettler, 3058“.10

Der Unternehmer und Kaffee-HAG Besitzer Ludwig Roselius (1874–1943) gründete 1928 das private „Museum im Roselius-Haus“.11 Bereits 1902 hatte er das Altbremer Patrizierhaus in der Böttcherstraße erworben, um dort seine innerhalb kurzer Zeit zusammengetragene Sammlung als Idealbild einer historisch-norddeutschen Wohnstätte zu präsentieren. Zum Kaffee-HAG Konzern gehörten die Bremer Werkschau GmbH, Abteilung „Galerie für alte Kunst“ und die 1934 gegründete „Alte Deutsche Kunst GmbH, Bremen“, die teilweise in Personalunion geführt wurde.12 Als Roselius 1943 verstarb, entfalteten beide Kunsthandlungen unter dem ehemaligen Bremer Rechtsanwalt Johannes Jantzen eine rege Geschäftstätigkeit. Aus der „Bremer Werkschau“, die zunächst auf moderne Kunst spezialisiert war, war eine Kunsthandelsabteilung hervorgegangen, die für das „Roselius-Haus“ Kunstwerke ankaufte. Zunehmend trat die Kunsthandlung aber auch als Verkäufer alter Kunst in Erscheinung. Im September 1943 tätigte Jantzen, der zu diesem Zeitpunkt in Wien ansässig war, sein erstes Geschäft mit dem „Sonderauftrag Linz“, indem er die beiden Altartafeln des Meisters der Ilsung-Madonna verkaufte. Die Tafeln waren wohl auf Vorschlag von Ernst Buchner zum Verkauf vorgesehen, der damals als Berater des Sonderbeauftragten für den „Sonderauftrag Linz“ tätig war. Buchner hatte die ursprünglich einem westfälischen Meister zugeschriebenen Flügel dem Augsburger Meister der Ilsung-Madonna zugeschrieben, weswegen sie nicht länger in die auf norddeutsche Kunst spezialisierte Sammlung passten. Für Jantzen und die „Galerie für alte Kunst“, an deren Gewinnen er mit einem Drittel beteiligt war, bildete dieser Verkaufserfolg den Auftakt zu weiteren Geschäften.

Aus der lückenlosen Dokumentation zur Provenienz der Altartafel geht hervor, dass das Werk aus sammlungstechnischen Gründen aus der Sammlung Roselius an das Deutsche Reich verkauft wurde. Ein verfolgungsbedingter Zwangsverkauf liegt nicht vor.

Stand: 2004

1 Buchner 1928, S. 92.
2 Für das Folgende vgl. Buchner 1955.
3 Ebd., S. 5.
4 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 11780. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummern sind K-Nr. 1898 (=“Kremsmünster-Nr.“), Resath 723a und No. 18.
5 Vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 11780.
6 Inventarnummer 723 und 723a der beiden Altarflügel. Vgl. Inventarkarte im Archiv Böttcherstraße Bremen.
7 Alte Meister 1921, Kat.Nr. 82 und 83. Dort wurden die Tafeln noch einem Westfälischen Meister in der Art der Brüder Dünwegge zugeschrieben.
8 Eintrag auf der Inventarkarte 723 und 723a im Archiv Böttcherstraße Bremen.
9 Schreiben von Jantzen an Puvogel, 27.11.1943. Vgl. Archiv Böttcherstraße Bremen.
10 Vgl. Liste der für das Museum Linz vorgesehenen Gemälde (alphabetisch nach Künstlern). Aufgefunden von der US Army in Altlaussee, Mai 1945, abgedruckt bei: Haase 2002, S. 203.
11 N.N., Museum im Roseliushaus. Vgl. http://www.pmbm.de/0_index.html [14.9.2004].
12 Für das Folgende vgl. Stamm 2004.

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