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Hackert, Jakob Philipp

La grotta di San Francesco a l`averna (Die Franziskushöhle; Die Grotta di San Francesco alla Verna)

Entstehungsjahr 1800
Technik Tuschezeichnung
Maße 93,0 x 63,0 cm
Münchener-Nr. 12850
Linz-Nr. Keine
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Jakob Philipp Hackert (15. September 1737 Prenzlau bis 28.4. 1807 Florenz) arbeitete nach seiner Ausbildung in Berlin und Aufenthalten in Schweden und Frankreich vorwiegend in Italien.1 Hier etablierte er sich als international gefragter Künstler, der bis weit in das 19. Jahrhundert hinein die Vorstellung von der mediterranen Landschaft prägen sollte. Zu seinen Themen gehörten Ansichten von Rom, Neapel und seiner Umgebung, Hafenszenen, Küsten – und Flusslandschaften, Paraden und Jagdszenen sowie die in stimmungsvolles Licht getauchte Campagna di Roma. Hackert wurde als einer der bedeutendsten europäischen Landschaftsmaler im Stil des Neoklassizismus im letzten Drittel des 18 Jahrhunderts verehrt.

Seit 1768 in Rom tätig, arbeitete Hackert ab 1786 für König Ferdinand IV als Hofmaler in Neapel. In der aristokratischen Gesellschaft Roms und Neapels, bei englischen Kunstfreunden und im Freundeskreis von Johann Friedrich Reiffenstein und Angelika Kaufmann war er hoch angesehen. Goethe pflegte seit seiner ersten Italienreise eine intensive Freundschaft mit Jakob Philipp Hackert und schrieb 1811 seine Biografie nach dessen hinterlassenen Dokumenten. Nach der französischen Revolution sah sich Hackert 1799 als Repräsentant des alten Systems genötigt aus Rom zu fliehen und lebte bis zu seinem Tod in Florenz und erwarb in der Nähe von Florenz ein Landgut in San Piero di Careggi und war weiterhin äußerst aktiv als Maler und Zeichner tätig. Hackert zeigte ein an den Bedürfnissen des Marktes orientierten Geschäftssinn.

Im 19. Jahrhundert verringerte sich sein Ansehen, das bis zu abfallenden Urteilen reichte. Hackert geriet zunehmend in Vergessenheit. Erst 1994 wurde von Claudia Nordhoff und Hans Reimer ein Werkverzeichnis publiziert. In den letzen 200 Jahren wurde im keine umfassende Ausstellung gewidmet. Die erste dieser Art wird in der Ausstellung Jakob Philipp Hackert Europas Landschaftsmaler der Goethezeit vom 25. August bis 2. November in der Klassik Stiftung Weimar und vom 28. November 2008 bis 15. Februar 2009 in der Hamburger Kunsthalle präsentiert.

Das Gemälde zeigt den Blick auf einen Höhleneingang, der von Bäumen und Gestrüpp überwuchert wird.2  Hackerts Zeichnung zeigt von außen eine Grotte, in der dem heiligen Franz von Assisi der Teufel erschien, eine Steile Treppe führt in den Abgrund herab. Die Grotte, in der Nähe der Chiesa delle Stimmate, liegt unterhalb eines 70 m tiefen Steilhanges, der so genannten Prezipizio.

Hackert besuchte in der Toskana unter anderem die Abtei von La Verna, im Zentrum der bergigen Gegend zwischen den Tälern des Arno und des Tibers im Casentino auf dem 1129 m hohen Monte Verna gelegen. Der Berg war 1213 dem heiligen Franz von Assisi vermacht worden, der hier der Legende nach seine Stigmatisation erlitt. An der Stelle der ursprünglichen Einsiedlerhütten entstand schnell ein blühender Konvent, zu dem die Kirchen S. Maria degli Angeli, die Chiesa Maggiore (Basilica) und die Chiesa delle Stimmate gehören. Die Grotten und Höhlen des Monte Verna begeisterten den Künstler, der dort monatelang Studien betrieb und die Franziskushöhle 1801 in zwei Gemälden von innen und von außen darstellte. (Die Grotte des heiligen Franziskus auf dem Monte Verna, bez. La Grotta di St. Francesco Alla Verna, Filippo Hackert Depinse 1801, Leinwand, Außenansicht und Innenansicht). Am 15. September 1801 beschrieb der Maler diese Bilder, die Hackert selbst offenbar zu seinen besten Werken zählte, in einem Brief an Graf Dönhoff mit folgenden Worten: „Ich habe fleisig nach die Natur vergangen und dises jar gemahlet, a la verna  wo vortrefliche Grotten und baume sind. Ich hab da die Grotto des H: Francesco gemahlet, welches bild glücklich gerathen ist, es ist Schön ohne dass andere Sachen als Bäume und Felsen darauf sind.“ Diese Aussage trifft weniger auf das Bild als auf die Zeichnung zu, die nichts anderes als Felsen und Vegetation zeigt. Ohne jeden Hinweis auf die religiöse Bedeutung des Ortes, dokumentiert das Blatt einen Teil der Landschaft auf dem Monte Verna, dessen Formen und Bewuchs hier nur um ihrer selbst willen und bild füllend in einem kleinen Ausschnitt vorgestellt werden.

Provenienz

Zeittafel
Dr. Alfred Islar, Hamburg3
Kunsthandlung Helbing/ München4
1943Galerie an der Wagmüllerstraße, vorm. Hugo Helbing, München5
20.5.1943An Schloss Posen für RM 5006

Die TVK München ermittelte, dass das Gemälde von der Galerie an der Wagmüllerstraße München für RM 500 an Schloss Posen am 20.5.43 verkauft wurde. Von der Kunsthandlung Helbing wurde es von Dr. A. Islar in Hamburg nach Aussage von Dr. Walter Hess vom 14.8. 51 erworben.7

Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes:

In den Unterlagen im Bundesarchiv Koblenz im Bestand Treuhandverwaltung für Kulturgut der OFD München8 konnten die Aussage von Dr. Hess vom 14.8.1951 nicht nachgewiesen werden. Es liegt von Walter Hess ( 1913 -1987) eine Aussage vom 15. 8. 1951 mit einer Liste von Galerie-Nummern der Kunsthandlung Helbing vor, nach der das Erwerbsdatum von 1933 bis 1936 durch die Galerie Helbing bestimmt werden konnte.9

In der Recherchen des TVK zu Erwerbungen für das „Deutsche Schloss Posen“ findet sich in der Ankaufsliste unter der Münchner Nummer 12850 und der P Nummer 85/1 die Zeichnung Jakob Philipp Hackerts La Grotta di Francesco a l’ Arvenia mit dem Hinweis, von der Galerie an der Wagmüllerstraße, München erworben und die entsprechende Rechnung über einen Betrag von RM 500.10

Nach der Besetzung Polens beauftragte Adolf Hitler seinen Chefarchitekten Albert Speer mit dem Ausbau des Posener Schlosses im annektierten Reichsgau Wartheland zu einer repräsentativen „Führerresidenz“. Ab Frühjahr 1940 begannen die aufwendigen Umgestaltungen des Gebäudes, die zugleich als Amtssitz für den Reichsstatthalter und Gauleiter Arthur Greiser geplant war. Vorgesehen waren außerdem private und repräsentative Räume für Hitler und seine Gäste. Für die Innenausstattung und den Einkauf von Möbeln und Kunstwerken war der Münchner Innenarchitekt Heinrich Michaelis verantwortlich, da nachweislich sämtliche Kunstankäufe über ihn in München abgewickelt wurden.11

Für das Deutsche Schloss Posen wurde am 20.5.1943 die Sepia - Zeichnung von der Galerie an der Wagmüllerstraße erworben. Inhaber der Galerie war zu diesem Zeitpunkt Jakob Scheidwimmer, der im Herbst 1940 die jüdische Kunsthandlung Hugo Helbing in der Wagmüllerstraße 14 in München mit Hilfe des Landesleiters der Reichskammer der bildenden Künste Max Heiß „arisiert“ hatte.12

Hugo Helbing (23.4.1863 bis 3.11.1938) führte eine renommierten Kunsthandel mit Altertümern, Gemälden alter und neuer Meister, Plastiken, Graphiken, Kunstgegenständen und Teppichen in München, bis 1936 zusammen mit Dr. Ernst Spiegel. Im Auktionshandel arbeitete er mit der Firma Paul Cassierer zusammen.13 Niederlassungen befanden sich in Frankfurt am Main und in Heidelberg. In München führte er in der Liebigstraße 21 das Auktionshaus Helbing und in der Wagmüllerstraße 15 die Kunsthandlung Helbing. Bereits 1933 war Hugo Helbing in München die Versteigerungserlaubnis entzogen wurden. Max Heiß verwaltete nach der Pogromnacht 1938 die Firma Hugo Helbing in München als Treuhänder und plante, die „Arisierung“ der Firma Hugo Helbing. Die „Arisierung“ durch Treuhänder war jedoch untersagt und so übergab er die Leitung im Herbst 1940 seinem Vertrauten Jakob Scheidwimmer.

Zu Jakob Scheidwimmer konnte recherchiert werden, dass er 1937 in der Schönfeldstraße 34, 1940 in der Wagmüllerstraße 15 in München lebte, seit dem 17. Januar 1929 Mitglied der NSDAP war und im Völkischen Beobachter in München tätig war. Vermutlich seit 1937 war er im Kunsthandel tätig. 1937 beantragte die Reichskammer der bildenden Künste eine Politische Beurteilung für die Erteilung der Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste über Jakob Scheidwimmer. Das Firmenarchiv zur Galerie an der Wagmüllerstraße, vormals Hugo Helbing ging nach Angaben von Oscar Scheidwimmer, München nach dem Tod von Jakob Scheidwimmer an dessen Sohn und Erbe Jakob jun. Scheidwimmer. Jakob jun. Scheidwimmer ist inzwischen in Griechenland verstorben.14

Geschäftsunterlagen zur Kunsthandlung Hugo Helbing, dass interessierende Gemälde betreffend, befinden sich nicht im Staatsarchiv München, im Stadtarchiv München, im Wirtschaftsarchiv München und im Bundesarchiv Berlin. Im Bestand des Bayrischen Wirtschaftsarchivs München befinden sich Akten zur Arisierung der Firma Helbing und Schriftwechsel mit der Industrie- und Handelskammer für München.15 Im Stadtarchiv München befinden sich die Gewerbeamtsakte zur Arisierung der Firma Helbing. Offenbar befanden sich 1951 nach einer Anfrage durch das TVK noch Unterlagen der Firma Helbing vom Januar 1933 – Juni 1936 in Privatbesitz des Kunsthistorikers Dr. Walter Heß, Fürstenfeldbruck. Er übermittelte eine Liste mit Nummern, nach der das Erwerbsdatum von Kunstobjekten durch die Galerie Helbing bestimmt werden konnte. Er verweist auf eine Mitarbeiterin der Kunsthandlung Hugo Helbing, Frl. Klementine Karl in München, welche die Bücher und Listen der Firma Helbing geführt haben soll und weitere Informationen geben könnte. Der Nachlass Hugo Helbing befindet sich zurzeit in Privatbesitz und ist nicht einsehbar.16

Die Sepia – Zeichnung wurde zu einem unbestimmten Zeitpunkt vollflächig auf einen Trägerkarton geleimt.17 Eine mögliche Identifizierung der Nummer ist so nicht gegeben.

Die Recherchen zur Person Dr. A. Islar, Hamburg ergaben Folgendes. Dr. Alfred Islar (6.8. 1884 bis 5.3. 1972) evangelischer Konfession wurde 1933 auf Grund seiner jüdischen Herkunft und des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. 4. 1933 als Amtsgerichtsdirektor (1913 Ernennung zum Richter, seit 1930 Amtsgerichtsdirektor)  in Hamburg zwangspensioniert. Er war seit 1916 mit der Nichtjüdin Hedwig Luise Islar, geb. Rahn18 verheiratet und hatte 2 Söhne.

Dr. Islar hatte bereits den Evakuierungsbefehl für Theresienstadt, überlebte aber in Hamburg. Er arbeitete von 1934 bis 1935 zunächst als selbstständiger Rechtsberater, wurde 1943 für 10 Tage in ein Zwangsarbeitslager in Berlin eingewiesen und musste 1944 einen Monat Erdarbeiten in Hamburg Blankenese auf Anordnung der Gestapo durchführen. Vom Erlass einer so genannten Sicherungsanordnung (bei Verdacht von Vermögensverschiebungen wurden den Betroffenen Verfügungsbeschränkungen – so genannte Sicherungsanordnungen – aufzuerlegen)  ab 1.1. 1937 wurde bei Dr. Islar abgesehen, „da seine Frau Nichtjüdin („Arierin“) war ,ein Sohn bei der Wehrmacht war und der andere Sohn kurz vor der Einberufung und keine Auswanderungsabsicht bestand.“ In den entsprechenden Unterlagen des Amtes für Wiedergutmachung im Staatsarchiv Hamburg: Vermögensaufstellung per 28.12.38 und Antrag auf Ersatz von Vermögensschäden vom 4.5.1953 wird die interessierende Zeichnung nicht aufgelistet. Als Vermögenswerte keine Kunstgegenstände verzeichnet.19

Die kunsthistorischen Recherchen ergaben keine neuen Erkenntnisse zur Herkunft der Sepiazeichnung. Die Zeichnung ist im Werkverzeichnis von Claudia Nordhoff und Hans Reimer ohne weiterführende Provenienzangaben genannt.20

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle bekannten Quellen ausgeschöpft sind. Ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust kann nicht ausgeschlossen werden.

Stand: 2009

1 Nach Gaßner; Guse, 1922, Bd. 15,  S. 412 – 414.
2 Nordhoff, 1994, Bd. 2, S. 381 - 382, Nr. 936 Abb. 467.
3 Aussage Dr. Hess vom 14. 8. 1951. Vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 11182.
4 Ebenda.
5 BArch Koblenz, B 323/ 517.
6 Ebenda.
7 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 11182.
8 BArch Koblenz, B 323.
9 BArch Koblenz, B 323/ 331.
10 BArch Koblenz, B 323/ 517, B 323/ 517, Nr. 85.
11 Schwendemann; Dietsche, 2003., Eichhorn, 2003, S. 215 f
12 Für das Folgende vgl. Selig, 2004, S. 631 – 634.
13 Herzog, Günther, Aus dem Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels: 1937 - Schicksalsjahr des Berliner Kunsthandels in: FAZ, 28.9.2007, Nr. 226, S. K2.
14 Barch Koblenz B, R-11,Nr. 2401022506., E-Mail Museum Folkwang Essen vom 24.10.2008.
15 Stadtarchiv München, Gewerbeamt Abg. 7/12a., BArch Koblenz, B 323/ 331.
16 Information von Frau Dr. Andrea Bambi, Leitung Referat für Provenienzforschung, Bayerische Staatsgemäldesammlungen.
17 E-Mail Museum Folkwang Essen vom 24.10.2008.
18 STA HH 241-2 Justizverwaltung – Personalakten A 3648: Islar, Dr. Alfred., Ebenda, Bl. 18: Brief an Amtsgerichtsdirektor Dr. Alfred Islar vom Präsidenten der Landesjustizverwaltung, gez. Dr. A. Bertram, 22. 7. 1933., STA HH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, Abl. 2008/01 26091887: Islar, Hedwig, Bl. 3., STA HH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, Abl. 2008/01 26091887: Islar, Hedwig, Bl. 3.
19 STA HH 314 – 15 Oberfinanzpräsident, R 1938/3627, Bl. 4 : Islar, Dr. Alfred., STA HH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, Abl. 2008/01 06081884, Bl. 29: Islar, Alfred., STA HH 314 – 15 Oberfinanzpräsident, R 1938/3627. o. Nr. : Islar, Dr. Alfred, Bericht aus Akten vom 27.2.1952., Ebenda, Bl. 4 : Islar, Dr. Alfred., STA HH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, Abl. 2008/01 06081884, , Bl. A1 : Islar, Alfred., Dr. Alfred Islar ist bei Maike Bruhns, 2001 und im Handbuch des Kunstmarkts, Berlin 1926 nicht verzeichnet.
20 Nordhoff, 1994, Bd. 2, S. 381 - 382, Nr. 936 Abb. 467.

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