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Achenbach, Oswald

Straße am Golf von Neapel

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Leinwand
Maße 52 x 41 cm
Münchener-Nr. 13267
Linz-Nr. Keine
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der Landschaftsmaler Oswald Achenbach (1827-1905) kommt als Zwölfjähriger an die Düsseldorfer Akademie, wo er zunächst in Zeichnen unterwiesen wird.1 Zwei Jahre später wechselt er in die Malklasse seines Bruders Andreas, der zu diesem Zeitpunkt bereits ein hohes Ansehen genießt.

Oswald Achenbach widmet sich vorrangig der Landschaftsmalerei. In den späteren Jahren gibt er hauptsächlich die Gegenden um Neapel, Rom und Venedig, aber auch die Schweiz und den Niederrhein wieder. Entgegen den Gepflogenheiten an der Düsseldorfer Schule, die sich dem Detail widmen, geht es ihm mehr um eine Gesamtwirkung. Seine Werke sind durch eine frische Natürlichkeit geprägt und häufig durch reiche Staffage belebt.

Auf einem durch Felsen und Bäume gesäumten Weg, schreiten drei in neapolitanischer Tracht gekleidete Personen entlang. Im Hintergrund stehen ein Campanile mit Zinnen und ein barockes Bauwerk. Aus dem in der Ferne blau schimmernden Meer scheint der Rauchwolken ausstoßende Vesuv aus dem Dunst zu entsteigen.

Am heutigen Außenrahmen befinden sich diverse Aufkleber: Maria Dietrich "Almas" München 2 Ottostraße 9, zusätzlich handschriftlich mit Tinte: 52/74. Ein weiterer runder Aufkleber enthält: Pusey-Beaumont Crassier, Transport des Objets d'Arts, 25. R. des Pies Ecuries, Zusatz mit Bleistift: 1) mehrere Schriftzüge und Nummern am Keilrahmen, u. a. "Motiv von Kico bei Sorrent".
Das Gemälde wurde im CCP ohne Außenrahmen aufgenommen, die Aufkleber der Galerie Maria Almas-Dietrich und Pusey-Beaumont Crassier stehen daher in keinerlei Zusammenhang mit der Provenienz des Gemäldes.

Provenienz

Zeittafel
25.10.1904Versteigerung Lepke, Berlin (Kat.Nr. 100) 
1938Privatsammlung Hugo Helbing, München
1942/43   Jakob Scheidwimmer, München 
12./13.5.1942H.W.Lange-Auktion, Berlin (Kat.Nr. 220), Einbringer Dr. Gr., Magdeburg, Schätzpreis RM 3.500, eingereicht zusammen mit einem Gemälde von Bochmann, verkauft für RM 9.500
23.5.1942 Von dort über Galerie Ernst Arnold, München, für RM 10.925 an Schloss Posen (P 32/IV)

Die TVK München ermittelte, dass das Gemälde von Oswald Achenbach „Straße am Golf von Neapel“ am 12./13. Mai 1942 auf der H.W. Lange-Auktion, Berlin (Kat.Nr. 220) angeboten worden ist.2  
Als Einlieferer wird ein Dr. G., Magdeburg genannt. Am 23. Mai 1942 gelangte das Gemälde über die Galerie Ernst Arnold, München, für RM 10.925 an Schloss Posen (P 32/IV).

Die erneuten Recherchen ergaben folgendes:3 Das Gemälde ist nicht im Boetticher bzw. im Werksverzeichnis aufgeführt.4 Erstmals fassbar ist es im Auktionskatalog der Firma Lepke, wo es am 25. Oktober 1904 unter dem Titel "Bei Sorrent" mit der Katalog-Nr. 100 versteigert wurde.5 Der Einlieferer und Erwerber konnten nicht ermittelt werden.

Aus den Akten der Wiedergutmachungsbehörde Oberbayern in München zum Nachlass des Münchner Kunsthändlers Hugo Helbing ist ersichtlich, dass das Gemälde als „Szenerie bei Sorrent“ auf Wunsch des Reichsleiters Bormann 1942/43 durch Jakob Scheidwimmer, den „Ariseur“ der Kunsthandlung Helbing, an das Museum in Posen verkauft wurde. Jakob Scheidwimmer identifizierte es bei einem Besuch im Münchner Collecting Point 1949 und teilte dies dem Nachlasspfleger Hugo Helbings mit.6

Hugo Helbing wurde am 23. April 1863 in München geboren. Die Münchner Kunsthandlung Hugo Helbing wurde 1885 gegründet. Die Firma Hugo Helbing wurde als OHG in das Handelsregister München eingetragen. Als Gesellschafter wurde 1906 Theodor Neustätter in die Firma aufgenommen. 1915 traten Dr. Ernst Spiegel und Fritz Helbing (Sohn aus erster Ehe) als Gesellschafter ein. Am 31. Dezember 1935 trat Fritz Helbing aus, am 7. April 1936 verstarb Neustätter und am 1. Dezember 1936 schied Ernst Spiegel aus. Am 14. Januar 1938 wurde die OHG aufgelöst und das Vermögen mit Aktiva und Passiva auf Hugo Helbing als Alleininhaber eingetragen.7

Am 9. November 1938 wurde die Firma Hugo Helbing zwangsweise geschlossen, weil ihr alleiniger Inhaber, Kommerzienrat Hugo Helbing, Jude war. Von der Reichskunstkammer wurde als Treuhänder Max Heiß, Referent für Kunsthandelsfragen beim Landesleiter der Reichskammer für bildende Künste, eingesetzt.8 In der Reichspogromnacht wurde Hugo Helbing verhaftet und zusammengeschlagen; er verstarb am 30. November 1938 an seinen schweren Verletzungen.

Hugo Helbings Witwe, Lydia Helbing, versicherte 1956 eidesstattlich, dass kurz nach dem Tode ihres Mannes dessen private Kunstgegenstände auf Anordnung von Max Heiß in die Geschäftsräume der Kunsthandlung gebracht wurden.9 Bei der Testamentseröffnung im Amtsgericht München war Heiß gleichfalls anwesend. Er erklärte, dass für den Fall, dass Lydia Helbing das Erbe antreten würde, die Firma im Auftrag der NSDAP binnen weniger Stunden geschlossen würde. Frau Helbing und ihr Sohn Fritz Helbing schlugen daher das Erbe aus.10

Auf Antrag der IHK München bestellte das Gewerbeamt München am 24. Mai 1939 Max Heiß zum Treuhänder, mit der Auflage, das Geschäft zu „arisieren“. Ab August 1940 sollte die Firma abgewickelt werden.11 1939/40 verkaufte Heiß die Grundstücke Hugo Helbings.12

Max Heiß sagte 1957 vor der Wiedergutmachungskammer beim Landgericht München I aus.13 Darin beschrieb er, wie er als Treuhänder der Firma agierte. So konnte der Prokurist Alt weiterhin Gemälde verkaufen, wobei er bei einem Wert von über RM 1.000 um die Genehmigung von Heiß bitten musste. Die Kunstgegenstände der Firma waren an verschiedenen Orten gelagert. Nach Aussage von Max Heiß hatten die privaten Kunstgegenstände Hugo Helbings ein orangefarbenes Etikett und die des Geschäfts blaue, für die von "Ariern" in Kommission genommenen Kunstwerke, oder grüne, für die von jüdischen Sammlern in Kommission genommenen Kunstgegenstände. Ohne Etiketten blieben dagegen die Lagerbestände der Firma. Diese Etikettierung könnte erklären, warum das Gemälde von Oswald Achenbach einen neuen Rahmen erhalten hat.

Am 15. März 1941 schloss Heiß mit Jakob Scheidwimmer einen Kaufvertrag über die Firma Hugo Helbing für Aktien im Werte von RM 30.000 ab. Die Übernahme der Ware sollte laut Vertrag später näher geregelt werden.14 Scheidwimmer übernahm einen Teil des Warenlagers und mietete Geschäftsräume innerhalb der Kunsthandlung Helbing an. Er führte die Firma als Galerie an der Wagmüllerstraße Jakob Scheidwimmer, vormals Hugo Helbing weiter. Einen anderen Teil des Bestandes ließ Heiß durch den Versteigerer Hellmut Lüdtke in München verauktionieren.15

Am 16. Juni 1949 schrieb der Rechtsanwalt und Pfleger des Nachlasses von Hugo Helbing an den Collecting Point und an die Wiedergutmachungskammer.16 Er berichtete, dass Jakob Scheidwimmer von 1942 bis 1943 Kunstgegenstände aus dem Besitz von Hugo Helbing an den Reichsleiter Bormann oder das Schloss Posen verkauft habe. Darin nennt er das Gemälde von Achenbach als „Szenerie bei Sorrent“ mit den Maßen 41 x 52 cm. In den zahlreichen anderen Listen, die zu Kunstwerken aus dem Geschäft und der Privatsammlung angefertigt waren, tauchen diese an Bormann oder nach Posen verkauften Stücke nicht auf.

Der Einlieferer zur Auktion bei H.W. Lange am 12./13. Mai 1942 in Berlin wird im Katalog mit „Dr. Gr., Magdeburg“ angegeben.17 Hinter dieser Abkürzung könnte sich Dr. Walter Greischel, Direktor des Kaiser-Friedrich-Museums in Magdeburg, verbergen. Nach den Unterlagen im Archiv Westfalen-Lippe hatte Greischel u.a. in München enge Kontakte zum Kunsthandel.18 Ein Hinweis auf eine eigene Kunstsammlung von Greischel fehlt jedoch bisher. Dass das Bild aus dem Besitz des Kaiser-Friedrich-Museums versteigert wurde, kann ausgeschlossen werden, da die entsprechenden Unterlagen anscheinend recht vollständig überliefert sind und keinen Hinweis auf den Verkauf enthalten.19 Das Werk wurde laut Katalogeintrag auf RM 3.500 geschätzt, verkauft wurde es für RM 9.500.20

Die Wiedergutmachungskammer fasste am 19. Juni 1957 den Beschluss, einen Vergleich zwischen den Erben Hugo Helbings und der Bundesrepublik vorzuschlagen, so dass für die aus dem Privatvermögen genommenen Bilder ein Schadensersatz von DM 5.000 gezahlt wurde. Die Parteien nahmen diesen Vorschlag an.21

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle Quellen ausgeschöpft sind. Anhaltspunkte für weitere Recherchen liegen derzeit nicht vor.

Stand: 2008

1 Für das Folgende vgl. Thieme/Becker 1999, Bd. 1, S. 43f.
2 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 13267. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummern sind Aussee 8087 und Posen P 32/IV.
3 Die Recherchen wurden im Auftrag des BADV von Facts & Files, Berlin, durchgeführt.
4 Boetticher 1891-1901 und Potthoff 1995.
5 Auk.kat. Lepke, Berlin, 25.10.1904, Kat.Nr. 100 m. Abb.
6 StaM, WB Ia, 2519, Wiedergutmachungsbehörde I Oberbayern München, Erben nach Helbing, Hugo Nachlass, Aktenzeichen I WKV 48/56, Antiquitäten und Geschäftsausstattung der Fa. Hugo Helbing, München, Wagmüllerstraße 15.
7 StaM, WB I, N 7035.
8 BWA, K1 XXI, 16b, 24. Akt, Fall 31, „Arisierungs“akte zur Firma Hugo Helbing.
9 StaM, WB Ia, 2519.
10 Ebd.
11 BWA, K1 XXI, 16b, 24. Akt, Fall 31, „Arisierungs“akte zur Firma Hugo Helbing
12 StaM, WB I, N 7035.
13 StaM, WB Ia, 2519.
14 StaM, WB Ia, 2520, Wiedergutmachungsbehörde I Oberbayern München, Erben nach Helbing, Hugo gegen Scheidwimmer, Jakob; Verband der Theater und verwandter Unternehmen e.V.; Fremdenheim „Galerie“ Inhaber Max Koller, 1948 Rückerstattungsantrag beim Zentralmeldeamt Bad Nauheim, Fa. Hugo Helbing, München, Wagmüllerstraße 15..
15 StaM, WB I, N 7035.
16 StaM, WB Ia, 2519.
17 Auk.kat. H.W. Lange, Berlin, 12./13. Mai 1942, Nr.220.
18 Archiv Westfalen-Lippe, Personalakte zu Greischel, LWL, 132, 1238, I.
19 Elsner 1995, S. 41f.
20 Kunstpreis-Verzeichnis, Bd. III, 1944, S. 41.
21 StaM, WB Ia, 2519.

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