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Lenbach, Franz Seraph von

Bildnis der Elisabeth Gräfin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn [Bildnis der Fürstin Wittgenstein „Prinzessin Otto von W.“]

Entstehungsjahr 1872
Technik Öl auf Leinwand
Maße 95,5 x73 cm
Münchener-Nr. 2488
Linz-Nr. 514
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Franz Seraph von Lenbach (1836–1904) zählte zu den Münchener „Malerfürsten“.[1] Als Sohn eines Maurers stammte er aus einfachen Verhältnissen. Seit 1847 hatte er sich dem Zeichnen und Malen gewidmet und lernte 1852/1853 bei verschiedenen Malern, unter anderem an der Königlichen Bayrischen Polytechnischen Schule in Augsburg sowie bei Georg Hiltensperger (1806–1890) und Hermann Anschütz (1802–1880) an der Münchener Akademie. 1857 trat Lenbach in das Atelier des Historienmalers Karl Theodor von Piloty (1826–1886) ein. 1863 bis 1880 war er als Kunstberater von Adolf Friedrich Graf von Schack (1815–1894) in München, Rom, Florenz sowie in Madrid tätig. Seine dadurch vertieften Kenntnisse Alter Meister nutzte er für seine Spezialisierung als Porträtmaler. Ab 1866 etablierte sich Lenbach als Bildnismaler in München, baute seine Kontakte aus und somit seine gesellschaftliche Stellung. 1882 wurde ihm der Titel „Ritter von Lenbach“ verliehen. Die Winter verbrachte er im Palazzo Borghese. Von 1887–1890 ließ der Architekt Gabriel von Seidl (1848–1913) das Lenbachhaus errichten – eine repräsentative Villa nach dem Vorbild der italienischen Renaissance und des Barock am Münchner Königsplatz.[2] Auf Grundlage von Fotografien entstanden Bildnisse seiner prominenten Auftraggeber aus Politik und Kultur, darunter Richard Wagner (1813–1883), Helmut Graf von Moltke (1800–1891), die beiden deutschen Kaiser Wilhelm I. (1797–1888) und Wilhelm II. (1859–1941), Kaiser Franz Josef I. von Österreich-Ungarn (1830–1916), Prinzregent Luitpold von Bayern (1821–1912), Otto von Bismarck (1815–1898) und viele weitere. Charakteristisch für seine Bildnisse ist die Kombination aus warm ausgeleuchteten, detailliert wiedergegebenen Kopfpartien mit sehr sorgfältig charakterisierten Gesichtszügen und skizzenhaften Details.

Das Bildnis zeigt die Gräfin Elisabeth zu Sayn-Wittgenstein-Sayn (1845–1883). Eine genaue Wiederholung dieses Gemäldes befindet sich im Eigentum der Familie der Porträtierten. Das Lenbach-Haus in München besitzt eine Vorarbeit zur endgültigen Fassung.[3]

Das Werk ist rechts auf Höhe der Schulter signiert und datiert „F.Lenbach 1872“. 

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „514“ (Linz-Nr.); in Bleistift „An 137457“ (nicht identifiziert); „2488“ (Mü-Nr.); „K 331“ (Kremsmünster); „0815“ (nicht identifiziert); schabloniert „Portois & Fix / Wien / 137457“ (nicht identifiziert); Siegel „YL[?]“ mit Krönchen (nicht identifiziert).[4]

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 23/24, Leipzig 1999  S. 43–45.

[2] Vgl. Ausst.kat. Malerfürsten, Bundeskunsthalle, Bonn 2019, S. 116–117.

[3] Vgl. Sonja Mehl, Franz von Lenbach in der Städtischen Galerie im Lenbach-Haus München, München 1980, S. 215, Kat.Nr. 450.

[4] Laut Auskunft des ehemaligen Leihnehmers vom 17.09.2003.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Bis 1938Bernhard Altmann (1888–1960), Wien
18.06.1938Angeboten auf Auktion bei Versteigerungsanstalt Dorotheum, Wien
(…) 
Bis 15.11.1938Galerie L. T. Neumann, Wien
15.11.1938–30.11.1938Galerie Haberstock, Berlin
30.11.1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
04. Juli 1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2004Bundesvermögen
2004Restitution

Der Wiener Wollwarenfabrikant Bernhard Altmann (1888–1960) und seine Frau Nelly (1889–?), geborene Engel, zählten seit dem „Anschluss“  Österreichs im März 1938 zum Personenkreis der aus rassischen Gründen Kollektivverfolgten.[1] Kurz darauf floh die Familie über Paris zunächst nach Liverpool. Im Mai 1938 folgte die offizielle Abmeldung im Auftrag der Gestapo. Ihr Vermögen, welches sie zurücklassen mussten, darunter auch die Villa in Wien, Kopfgasse 1, wurde beschlagnahmt.[2]

Die gesamte Einrichtung wurde im Juni 1938, unmittelbar aus den Wohnräumen der Familie Altmann heraus, durch Verfügung der Gestapo von der Versteigerungsanstalt Dorotheum in Wien zur Auktion eingeliefert.[3] Das Gemälde ist als Losnummer 417 unter dem Titel „Bildnis einer Dame mit rötlich-blondem Haar“ für den Ausrufpreis in Höhe von RM 300,- im Auktionskatalog aufgeführt.[4] Nicht ermittelt werden konnte, ob und an wen das Werk zugeschlagen wurde.

Die Galerie L. T. Neumann, Wien,  verkaufte es am 15. November 1938 für RM 4.000,- an die Berliner Galerie Haberstock.[5] Nach Aussage des damaligen Mitbesitzers der Galerie L. T. Neumann, August Eymer (1894–1978), vom 22. April 1949 hatte diese das Gemälde zuvor aus österreichischem Privatbesitz erworben.[6] Über die Galerie Haberstock gelangte das Bildnis am 30. November 1938 für RM 6.500,- an die Reichskanzlei.[7] Es erhielt dort die Linz-Nr. 514.[8]

Karl Haberstock (1878–1956) war ein deutscher Kunsthändler, der 1878 in Augsburg in eine Landwirtschaftsfamilie geboren wurde und eine Lehre als Bankkaufmann absolvierte. Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1900 begann er für den Lebensunterhalt seiner Familie den Handel mit Gemälden, die sein Vater zu Lebzeiten gesammelt hatte. 1905 eröffnete er eine eigene Galerie in Würzburg, kurz darauf in Neuenahr. Ab 1907 war Haberstock in Berlin tätig. Nach mehreren Standortwechseln bezog er 1939 Geschäftsräume in der Kurfürstenstraße von wo er außerordentlich erfolgreich mit Kunst handelte. Zum Programm der Kunsthandlung gehörten zunächst deutsche Künstler des 19. Jahrhunderts.[9] Mit der Verlagerung seines Schwerpunktes hin zu deutschen Altmeistern des 15. und 16. Jahrhunderts,  holländischen und flämischen Künstlern des 17. und französischen sowie italienischen des 16. bis 18. Jahrhunderts suchte Haberstock Kontakt zu Persönlichkeiten wie Wilhelm von Bode (1845-1929), Gustav Glück (1871-1952), Otto von Falke (1862-1942) und Hans Posse (1879 bis 1942).[10]

Im Jahre 1938 wurde Haberstock zum Mitglied der „Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst“ berufen. Aufgrund seines weit verzweigten Netzwerkes und der Kontakte zur Führungsriege der Nationalsozialisten gehörte er zwischen 1939 und 1943 zu den wichtigsten Kunsthändlern für das geplante „Führermuseum“ in Linz.[11] Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde er zunächst interniert und im Verfahren im Jahr 1949 als Mitläufer und später als Entlasteter eingestuft.[12]

Bernhard Altmann überlebte den Zweiten Weltkrieg in den USA. Im Jahre 1954 erkundigte er sich beim Bundesdenkmalamt Wien nach dem Verbleib seiner beschlagnahmten Bilder.[13] Damals konnte der Standort des Gemäldes nicht ermittelt werden.

Die Nummer K 331 auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin.[14] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[15] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[16]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 4. Juli 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht. Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Für das Folgende vgl. Auskunft des Wiener Stadt-und Landesarchivs vom 23.09.2003.

[2] Vgl. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Unterlagen der Vermögensverkehrsstelle (I.864, LG. 1.175) und der Finanzlandesdirektion (ZI. 14.961) Bernhard Altmann betreffend.

[3] Vgl. ÖStA, ZI. 14.961, Rückstellungsantrag an Finanzlandesdirektion für Wien und Österreich, o.D., und Auk.kat. Versteigerung der kompletten Villeneinrichtung Wien XIII, Kopfgasse 1, Versteigerungsanstalt Dorotheum, Wien, 17.–22.06.1938.

[4] Vgl. Auk.kat. Versteigerungsanstalt Dorotheum, Wien, 17.–22.06.1938, S. 25.

[5] Vgl. Geschäftsbuch Haberstock, Einkäufe November 1938, HA/XXIV/60, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. ­

[6] Vgl. Galerie Neumann, Aussage des Mitbesitzers Herrn A. Eymer am 22.4.1949, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.   ­

[7] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 2488 und BArch Koblenz, B 323/76, Bl. 37, Haberstock Inventurbuch, Lfd. Nr. 166.

[8] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 2488. 

[9] Vgl. Lost Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Karl Haberstock. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Verantwortliche/H/Haberstock,%20Karl.html?nn=5148&cms_lv2=95378&cms_lv3=9332 [Abruf: 20.06.2019].

[10] Vgl. Horst Keßler, Karl Haberstocks Kunsthandel bis 1944, seine Rolle im Dritten Reich und die Augsburger Stiftung, S. 17–40, in: ders., Karl Haberstock. Umstrittener Kunsthändler und Mäzen. München, Berlin 2008, hier S. 17ff ; Für das Folgende vgl. Lost Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Karl Haberstock. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Verantwortliche/H/Haberstock,%20Karl.html [Abruf: 03.06.2019].

[11] Vgl. Christof Trepesch, Karl Haberstock und die Kunstsammlungen und Museen Augsburg, S. 9–15, in: Keßler 2008, hier S. 9ff.

[12] Vgl. ebd.

[13] Vgl. Schreiben Sekretariat Bernhard Altmann an Bundesdenkmalamt Wien, Wien, 17.09.1954, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. ­

[14] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 2488.

[15] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[16] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

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