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Pencz, Georg

Porträt Sigmund Baldinger (Bildnis des Hans Sigmund von Baldinger)

Entstehungsjahr 1545
Technik Öl auf Holz
Maße 135 x 118 cm
Münchener-Nr. 3647
Linz-Nr. 2020
Lost Art-ID 219654
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Georg Pencz (um 1500–1550) war ein deutscher Maler und Kupferstecher.[1] Er stand unter dem künstlerischen Einfluss von Albrecht Dürer (1471–1528) sowie den italienischen Meistern, deren Arbeiten er im Zuge einer Italienreise kennenlernte. Besonders die Hüft- und Bruststücke des Malers aus den 1540er Jahren sind von herausragender Qualität. Die Gemälde des Künstlers gelten als Spitzenwerke der altdeutschen Bildniskunst der nachdürerischen Zeit.

Das Gemälde zeigt Sigmund von Baldinger (1510–1558) en-face.[2] Der Dargestellte trägt elegante Kleidung unter einem weiten Fellumhang und sitzt auf einem Schemel. Mit seinem linken Ellbogen stützt er sich auf einen Tisch mit Decke am rechten Bildrand ab. Auf einem Ring an der linken Hand des Porträtierten sind dessen Initialen „S. B.“ zu erkennen. Im Hintergrund ist ein Raum im Stil der Renaissance dargestellt. Links auf einem Vorsprung an der Wand befinden sich verschiedene Gefäße.

Das Werk ist monogrammiert „PG“, datiert „ANNO, M.D.X GEPOREN, AM, MO NTAG, VOR, PFINGST. 1 5 4 5” sowie mittig links beschriftet „[...] wesch wassers”.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: „Linz 2020“ (Linz-Nr.); „K1552“ (Kremsmünster).[3]

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Leipzig 1999, Bd. 25, S. 374–376.

[2] Laut Titel auf der zugehörigen Property Card handelt es sich um Hans Sigmund von Baldinger, zu dem jedoch keine Lebensdaten sowie biografische Informationen ermittelt werden konnten. Die Initialen auf dem Siegelring des Dargestellten sowie die Inschrift „ANNO, M.D.X GEPOREN […]“ weisen darauf hin, dass es sich um Sigmund von Baldinger (1510–1558) handelt. Siehe hierzu auch: Christie’s London, Old Master & 19th Century Paintings, Drawings & Watercolours Evening, 06.07.2010, Los 30. URL: www.christies.com/LotFinder/lot_details.aspx?intObjectID=5339069 [Abruf: 12.05.2020].

[3] Laut Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 3647. Diese Angaben konnten am Original nicht überprüft werden.

Provenienz

Zeittafel
Bis 1558Sigmund Baldinger (1510–1558)
Bis 1921Freiherr von Baldinger, erworben durch Erbgang
1921Kunsthandlung Julius Böhler, München
(…) 
Spätestens ab 1927Baron Mór Lipót Herzog (1869–1934), Budapest
Bis 03.07.1941Baron András Herzog (1902–1943), Budapest, erworben durch Erbgang
Ab 03.07.1941Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“), erworben über Galerie Sanct Lucas, Wien
Ab Juli 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
10.07.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949‒2010Bundesvermögen
2010Restitution

Das Gemälde befand sich wohl bis zu seinem Tode im Eigentum des Porträtierten Sigmund Baldinger (1510–1558) und verblieb anschließend im Besitz der Familie.[1] Im Jahre 1921 wurde es von dort durch den Kunsthändler Julius Böhler (1860–1934) erworben.

Die Münchner Kunsthandlung Julius Böhler wurde im Jahre 1880 vom gleichnamigen Kunsthändler gegründet. Ab 1905 wurde sie im neu errichteten prachtvollen Stadtpalais und Geschäftshaus in der Briennerstraße von der Kunsthändlerfamilie Böhler sowie weiteren Teilhabern geleitet.[2] Zum Programm der Kunsthandlung gehörten insbesondere Möbel, Plastiken, Skulpturen, sowie Gemälde (Alte Meister) und Kunsthandwerk.[3] Angesichts der Qualität und Fachkompetenz gewann das Unternehmen ein hohes Ansehen bei Sammlern und Museen. Darüber hinaus zeichnete sich die Kunsthandlung durch ihre langjährigen und internationalen Kontakte aus. So verhalf Julius Böhler dem Berliner Kunsthändler Karl Haberstock (1878–1956) einen bedeutenden Anteil der Sammlung des deutsch-niederländischen Bankiers Fritz Gutmann (1886–1944) zu erwerben. In den Jahren 1933–1945  nutzten sein Enkel Julius Harry Böhler (1907–1979) sowie der Teilhaber Hans Sauermann (1885–1960) die Vorteile, die sich nicht-jüdischen Kunsthändlern durch die Ausschaltung ihrer jüdischen Konkurrenz und angesichts des größeren Angebots auf dem Kunstmarkt wegen der unter Verfolgungsdruck verkauften Kunstwerke boten. Neben einigen Erwerbungen für das Germanische Nationalmuseum kaufte die Kunsthandlung Böhler insbesondere für ihren eigenen Bestand oder auf Provisionsbasis bei Versteigerungen auch Objekte, die entzogen, beschlagnahmt, unter Zwang verkauft oder zu einem geringen Preisverschleudert wurden. Zum Beispiel auf den Auktionen der Restbestände der Münchner Kunsthandlung A.S. Drey und der umfangreichen Kunstsammlung Emma Budges (1852–1937), die von Paul Graupe (1881–1953) bzw. Hans W. Lange (1904–1945) in Berlin durchgeführt wurden. Ferner gab es direkte Ankäufe von jüdischen Sammlern, die während der NS-Zeit in Bedrängnis geraten waren.

Spätestens ab 1927 war das Werk Teil der Sammlung von Baron Mór Lipót Herzog (1869–1934),[4] der zu Lebzeiten eine bedeutende Kunstsammlung zusammentrug, die mehr als 1.500 Werke sowie Bücher und wertvolle Einrichtungsgegenstände umfasste.[5] Nach dem Tod von Baron Mór Lipót Herzog im Jahre 1934 wurde seine Sammlung auf die drei Kinder András (1902–1943), Ersébet (?–?) und István Herzog (?–?) aufgeteilt.[6] Das Gemälde gelangte so in das Eigentum von András Herzog, Budapest.[7]

Aus der Sammlung Baron András Herzog wurde das Werk am 3. Juli 1941 über die Wiener Galerie Sanct Lucas durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ für RM 70.000,- erworben und erhielt die Linz-Nummer 2020.[8] Unterlagen zum Verkaufshergang haben sich im Bundesarchiv in Koblenz erhalten.[9] Dr. Robert Herzig (1911–?), Leiter der Galerie Sanct Lucas, betonte in einem Schreiben an Dr. Hans Posse (1879–1942), dass es großer Überredungskünste bedurft habe, um den Eigentümer zum Verkauf zu bewegen.[10]

Nur sechs Monate nach dem Verkauf des Werkes wurde Baron András Herzog in ein Arbeitslager verschleppt, wo er am 16. März 1943 an Typhus verstarb.[11] Seine Frau verließ daraufhin Ungarn und ging mit den beiden gemeinsamen Kindern nach Rom. Nach dem Rückzug der deutschen Besatzer aus Ungarn Ende 1944 wurden große Teile der ehemaligen Sammlung Herzog beschlagnahmt und in das Deutsche Reich gebracht.[12] Ein Teil konnte über den Central Collecting Point in München zurück nach Ungarn restituiert werden.

Die Nummer K1552 auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin.[13] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[14] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[15]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 10. Juli 1945 in den CCP München verbracht.[16] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Für das Folgende vgl. Christie’s London, Old Master & 19th Century Paintings, Drawings & Watercolours Evening, 06.07.2010, Los 30. URL: www.christies.com/LotFinder/lot_details.aspx?intObjectID=5339069 [Abruf: 12.05.2020].

[2] Für das Folgende vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München (BWA), Findbuch, F 043 – Julius Böhler Kunsthandlung, München. URL: www.bwa.findbuch.net [Abruf 26.07.2019].

[3] Für das Folgende vgl. Timo Saalmann, Langjährige Kontakte. Die Münchner Kunsthandlung Julius Böhler, in: Gekauft – getauscht – geraubt? Erwerbungen zwischen 1933 und 1945, Nürnberg 2017, S. 24–37.

[4] Laut Katalog der Sammlung Herzog aus dem Jahre 1927. Vgl. Christie’s London, Old Master & 19th Century Paintings, Drawings & Watercolours Evening, 06.07.2010, Los 30. URL: www.christies.com/LotFinder/lot_details.aspx?intObjectID=5339069 [Abruf: 12.05.2020].

[5] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Jüdische Sammler und Kunsthändler (Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung), Baron Mor Lipot Herzog. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/H/Herzog, Baron Mor Lipot.html?nn=5144&cms_lv2=95482&cms_lv3=8794 [Abruf: 31.03.2020].

[6] Vgl. Frank Brunecker/Uwe Degreif, Museumsland. Die Biberacher Rückgabe, in: Momente, Nr. 1, 2014, S. 40–41, hier S. 40.

[7] Für das Folgende vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 3647.

[8] Die Ankaufssumme umfasste eine Vermittlungsgebühr in Höhe von RM 10.000,-. Vgl. Bundesarchiv (BArch) Koblenz, B323/101, Bl. 147. Schreiben von Posse, Dresden, an Reichskabinettsrat Killy, Berlin, vom 01.07.1941.

[9] Siehe: BArch Koblenz, B323/101, Bl. 147 und B323/138, Bl. 452–461.

[10] Vgl. BArch Koblenz, B 323/138, Bl. 461. Schreiben von Herzig, Wien, an Posse, Dresden, vom 19.06.1941.

[11] Für das Folgende vgl. Brunecker/Degreif 2014, S. 40.

[12] Für das Folgende vgl. Hannes Hartung, Kunstraub in Krieg und Verfolgung. Die Restitution der Beute- und Raubkunst im Kollisions- und Völkerrecht, Berlin 2005, S. 438.

[13] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 3647.

[14] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[15] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

[16] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

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