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Huber, Wolf (zugeschrieben)

Porträt eines 35-jährigen Mannes

Entstehungsjahr 1528
Technik Mischtechnik auf Holz
Maße 62,0 x 50,8 cm
Münchener-Nr. 4318
Linz-Nr. 1915
Lost Art-ID 219714
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Wolf (Wolfgang) Huber (1490–1553) war ein oberdeutscher Maler und Zeichner, der seit circa 1510 in enger künstlerischer Beziehung zu Albrecht Altdorfer (1480–1538) stand.[1] Huber besaß den Rang eines bischöflichen Hofmalers und war mit seinen vielfach monogrammierten und datierten Zeichnungen sowie Holzschnitten sehr erfolgreich. Er profilierte sich als frühester Vertreter der „intimen Landschaft“ und charaktervoller Bildnismaler. Die Zuschreibung des Gemäldes an Huber erfolgte bereits vor dessen Ankauf für den „Sonderauftrag Linz“.[2] Löcher schrieb das Porträt im Jahre 1965 einem unbekannten Maler zu, den er „Meister des Matthäus Lang“ nannte.[3]

Das Gemälde ist der nordalpinen Malerei des frühen 16. Jahrhunderts zuzuordnen und zeichnet sich durch seine bemerkenswerte Qualität aus.[4] Im breiten Hochformat portraitiert der Maler einen Mann mit Bart, der die Bildfläche fast vollständig ausfüllt. Entgegen der Frontalität des Körpers, weist der Kopf eine starke Drehung ins Dreiviertelprofil auf. Der Mann, dessen Blickrichtung nach links geht, trägt einen Hut sowie einen hochwertigen Mantel mit dunkelbraunem Pelzbesatz. Der Dargestellte greift sich mit der linken Hand an den Pelz und berührt mit der breit aufgefächerten rechten Hand lediglich mit den Fingerspitzen die Kleidung. Zwischen Hut und Schulterabschluss ist ein Himmel in intensiver Farbigkeit aus gelben, roten und grünerdigen Schwaden sichtbar. Entfernt ist eine Burgarchitektur erkennbar. Links angeschnitten ragt ein Baum über das Bild hinaus. An diesem ist eine Tafel mit der Inschrift „1528 / 35“ befestigt. Letztere Zahl gibt Auskunft über das Alter des Dargestellten.[5]

Eine abschließende Identifizierung von Ort und Person konnte bisher nicht erfolgen. Die Bekleidung des Dargestellten sowie die drei mit Edelsteinen besetzten Goldringe weisen jedoch auf dessen gehobene gesellschaftliche Stellung hin. Muhr hält einen Zusammenhang des Porträts mit den Wittelsbacher Herzögen, die als Auftraggeber und Gönner Hubers fungierten, als wahrscheinlich.[6] Vlachos vermutet, dass es sich um den Passauer Humanisten Philipp Gundel oder Gundelius (1493–1567) handeln könnte.[7]

Das Gemälde ist nicht signiert, jedoch auf das Jahr 1528 datiert.[8]

Das Kunstwerk ist nicht im Werkverzeichnis von Winzinger (1979) enthalten.[9]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „4318“ (Mü-Nr.); in Bleistift „Regensburg [...]“ (Museum Regensburg, Leihnehmer, nach 1945); blauer Stempel, zweimal „DOUANE CENTRALE / Exportation Paris“ (Zollstempel); blauer Stempel, viermal „ZOLL / - 1 - 8 / +“ (Zollstempel); blauer Stempel, zweimal „RSP. / HAAG / [...]“ (Zollstempel); in Bleistift: „Ʃ 2. VIII. 40 / Sessig“ (vermutlich Andreas Sessig, Konservator); weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand, in Schwarz „1915“ (Linz-Nr.); Fragmente eines Etiketts „à [...] Saint-Va[...]“ (nicht identifiziert); in weißer Kreide ein Kreis (nicht identifiziert).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 17/18, Leipzig 1999, S. 21.

[2] Vgl. Schreiben der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München vom 15./16.03.2020 inklusive Kopie des Schreibens von Theodor Fischer, Luzern an Dr. Ernst Buchner, München vom 13.03.1940.Hier heißt es: „Inzwischen habe ich das Bild Herrn Dr. Friedländer gezeigt ist er der Ansicht, dass es sich um das Werk von Wolf Huber handle, es sei allerding wohl das schönste, was dieser Künstler an Portraits hervorgebracht habe […].

[3] Vgl. Stavros Vlachos, Überlegungen zum Porträt eines 35jährigen Mannes von 1528 im Historischen Museum der Stadt Regensburg, in: Passauer Jahrbuch, Nr. 58, 2016, S. 103–116, hier S. 108 und Kurt Löcher, Die Kunst der Donauschule (Malerei), in: Pantheon, Nr. 23, 1965, S. 344–348, hier S. 346.

[4] Für das Folgende vgl. Barbara Muhr, Reformatoren, Bürger und Adelige. Hintergrundmotive und Kontexte als sinnstiftende Aspekte des Porträts im 16. Jahrhundert, in: Christoph Wagner, Dominic E. Delarue (Hgg.), Michael Ostendorfer und die Reformation in Regensburg, Regensburg 2017, S. 431–458.

[5] Auf der zugehörigen Property Card ist als Titel „Bildnis eines 32 jährigen Mannes“ vermerkt. Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 4318.

[6] Vgl. Muhr 2017, S. 447.

[7] Vgl. Vlachos 2016, S. 113.

[8] Siehe Inschrift in der Tafel „1528 / 35“.

[9] Vgl. Franz Winzinger, Wolf Huber. Das Gesamtwerk, München 1979.

Provenienz

Zeittafel
(…)Ungeklärt
O. J.Vermutlich Sammlung Dr. Hans Wendland (1880–1965), Schweiz, Erwerbsweg ungeklärt
Spätestens ab März 1940–28.07.1941Galerie Fischer, Luzern, Erwerbsweg ungeklärt
Ab 28.07.1941Deutsches Reich („Sonderauftrag Linz“), Ankauf
15.07.1945Amerikanische Militärregierung, Central Collecting Point München, Sicherstellung
Seit 1949Bundesrepublik Deutschland, Übergang gemäß Artikel 134 Grundgesetz

Das Gemälde befand sich spätestens ab März 1940 im Besitz des Schweizer Kunsthändlers Theodor Fischer (1862–1938).[1] Gesicherte Informationen zu Voreigentümern liegen derzeit nicht vor. Laut Unterlagen der National Archives and Records Administration in Washington D. C. war das Werk vermutlich einst im Besitz des Kunsthändlers Dr. Hans Wendland (1880–1965).[2]

Wendland war ein deutscher Kunsthistoriker und Mitglied der NSDAP.[3] Nach seinem Studium in Berlin, war er zunächst am Kaiser-Friedrich-Museum tätig. 1910 folgten erste Aktivitäten als Kunsthändler. Nach Aufenthalten in Paris und Moskau ließ sich Wendland im Jahre 1920 in der Schweiz nieder. 1933 kehrte er nach Paris zurück, ging jedoch nach Ausbruch des Krieges erneut in die Schweiz, wo er seine kunsthändlerische Tätigkeit fortsetzte.[4] Neben Walter Andreas Hofer (1893–1971), Karl Haberstock (1878–1956) und Maria Almas-Dietrich (1892–1971), galt Wendland als einer der „Hauptzulieferer des NS-Regimes“.[5] Er besaß dabei zu keinem Zeitpunkt eigene Ausstellungs- oder Verkaufsräume, sondern operierte über bereits etablierte Kunsthändler. So pflegte Wendland enge Beziehungen zu Haberstock sowie Fischer in Luzern. Letzteren lernte Wendland im Jahre 1920 in Berlin kennen. Fischer entwickelte sich im Folgenden zu einem der wichtigsten Kontakte Wendlands, da dieser den Verkauf zahlreicher Kunstwerke über Fischers Galerie sowie dessen Auktionshaus realisieren konnte.[6]

Wann und von wem Wendland das Gemälde erwarb, ist nicht bekannt. Ein französischer Zollstempel auf der Bildrückseite weist auf eine Ausfuhr des Gemäldes aus Frankreich hin. Wendland, der viele Jahre in Paris verbrachte, war in der dortigen Kunstwelt gut vernetzt. Belegt sind Tauschgeschäfte mit dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, von dem Wendland gemeinsam mit Fischer Kunstwerke erwarb, die im Folgenden in die Schweiz eingeführt wurden.[7] Es ist möglich, dass auch das Herrenporträt auf diesem Wege zu Fischer nach Luzern gelangte.

Im März 1940 bot Fischer das Werk den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München zum Tausch an.[8] Zugeschrieben wurde das Gemälde zunächst dem Künstler Albrecht Altdorfer. Da der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Dr. Ernst Buchner (1892–1962), jedoch Zweifel an dieser Zuschreibung hegte, wurde es zur Ansicht nach Den Haag gesandt. Dort sollte das Werk von dem Kunsthistoriker Max J. Friedländer (1867–1958) begutachtet werden, der es dem Künstler Wolf Huber zuschrieb. Im Folgenden wurde das Gemälde über den Antiquar Carl W. Buemming (1899–1963) zur Ansicht nach München übersandt.[9]

Am 2. August 1940 übermittelten die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ein Kaufangebot über CHF 70.000,- an Fischer.[10] Als Preis für das Gemälde wurde abschließend die Summe von CHF 75.000,- vereinbart.[11] Das Werk gelangte jedoch nicht in den Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. In einem Schreiben von Dr. Hans Posse (1879–1942), dem Direktor der Staatlichen Gemäldegalerie in Dresden und Leiter des „Sonderauftrag Linz“, an Buchner vom 19. Juli 1941 heißt es: „Auf Grund unseres Gesprächs am 16. Juni in München nehme ich wohl richtig an, daß Sie das Bildnis für Linz abzutreten bereit sind und wäre Ihnen für eine Bestätigung sehr dankbar, damit ich die Bezahlung an Fischer regeln kann.“

Am 28. Juli 1941 wurde das Gemälde für CHF 75.000,- von Fischer durch das Deutsche Reich angekauft und erhielt die Linz-Nr. 1915.[12]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 15. Juli 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[13] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Ankäufe des Deutschen Reiches aus dem neutralen Ausland werden bei analoger Anwendung des alliierten Rückerstattungsrechts grundsätzlich nicht als NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust bewertet, sofern weder der Verkäufer noch das Kunstwerk zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts dem unmittelbaren Verfolgungsdruck der NS-Machthaber ausgesetzt waren.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[14]

 

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Bayerische Staatsgemäldesammlungen (BStGS), München. Schreiben von Fischer, Luzern an Buchner, München vom 13.03.1940 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[2] Vgl. National Archives and Records Administration (NARA), M1946. URL: www.fold3.com/image/270047688 [Abruf: 13.09.2018]. Siehe hierzu auch: Vlachos 2016, S. 103–116, hier S. 103f.

[3] Ausführliche Informationen zu Dr. Hans Wendland in: Thomas Buomberger, Raubkunst – Kunstraub. Die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, Zürich 1998, S. 186.

[4] Vgl. NARA, M1941. URL: www.fold3.com/image/291847488 [Abruf: 13.09.2018].

[5] Vgl. Daniela Wilmes, Wettbewerb um die Moderne. Zur Geschichte des Kunsthandels in Köln nach 1945, Berlin 2012, S. 75.

[6] Vgl. NARA, M1941. URL: www.fold3.com/image/291847532 und folgende [Abruf: 14.09.2018].

[7] Vgl. Buomberger 1998, S. 72.

[8] Vgl. BStGS, München. Schreiben von Fischer, Luzern an Dr. Buchner, München vom 08.04.1940 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[9] Vgl. BStGS, München. Schreiben der Alten Pinakothek, München an Buemming, Darmstadt vom 26.07.1940 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. Für weitere Informationen zu Buemming siehe: Buomberger 1998.

[10] Vgl. BStGS, München. Schreiben der Alten Pinakothek, München an Fischer, Luzern vom 02.08.1940 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[11] Für das Folgende vgl. Bundesarchiv (BArch) Koblenz, B323/115, Bl. 367, Schreiben von Posse, Dresden an Buchner, München vom 02.08.1940.

[12] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 4318. Eine zugehörige Rechnung vom 22.06.1941 hat sich im Bundesarchiv Koblenz erhalten. Vgl. BArch Koblenz, B323/101, Bl. 125, Rechnung der Galerie Fischer, Luzern an Posse, Dresden vom 22.06.1941. Aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten übersandte Fischer am 26.07.1941 erneut eine Rechnung. Vgl. B323/146, Bl. 559, Schreiben von Fischer, Luzern an Posse, Dresden vom 26.07.1941.

[13] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 4318.

[14] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) (10) Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie (https://rkd.nl/nl/) [Abruf: 13.09.2018].

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