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Hartmann, Matthias (Matthäus) Christoph

Judenfamilie

Entstehungsjahr 1817
Technik Aquarell mit Bleistiftvorzeichnung
Maße H 27,1 cm x B 33,6 cm (Darstellung); H 29,9 cm x B 36,8 cm (Blatt)
Münchener-Nr. 45176
Linz-Nr. Keine
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Matthäus Christoph Hartmann1 wurde 1791 oder 1792 in Nürnberg als Sohn des Georg Christoph geboren. An der Nürnberger Malerakademie und dann bei Christian Friedrich Fues erhielt er eine Ausbildung im Fach Historienmalerei. 1837 war er als Zeichenlehrer an der Höheren Bürgerschule in Nürnberg beschäftigt. Hartmann heiratete am 7. 11. 1819 Karoline Macco, sein Georg wurde ebenfalls Maler. Er war Mitglied des Nürnberger Kunstvereins. Über sein Leben liegen sonst keine weiteren Informationen vor, er verstarb am 22. 10. 1837 in Nürnberg.

Hartmann war für seine Zeichnungen, Gouachen und Aquarelle bekannt, eines seiner Hauptthemen scheint neben dem Porträtfach die Darstellung jüdischen Lebens gewesen zu sein; Nagler 1871 erwähnt Szenen nach Gedichten von Itzig Veitel Stern. Weitere Verbreitung fanden seine graphischen Arbeiten. Zahlreiche Entwürfe für Illustrationen haben sich erhalten, darunter „Der Jude“ vom 14. 1. 1835 im GNM.

Das hier interessierende Aquarell zeigt folgendes: in einer nahsichtigen Stube mit Dielenboden und Balkendecke sitzt links im Vordergrund eine Frau auf einem Bett, die Füße auf einem Schemel, und schält Gemüse. Ihre Aufmerksamkeit wendet sie allerdings zwei links von ihr auf einer Bank sitzenden alten Männern zu. Der linke sackt ein wenig in sich zusammen, wohingegen der rechte aufrecht sitzt und den Betrachter fixiert. Hinter den beiden alten dominiert ein riesiger Kamin mit diversen Gerätschaften den Raum. Auf der rechten Seite steht ein junges Mädchen und füttert eine Ente mit Körnern.

Hartmann zeigt in diesem kleinen Blatt all sein Können als Zeichner und Aquarellist. Er konstruiert einen Perspektivraum, in dem er eine Fülle verschiedener Oberflächenstrukturen und ein ganzes Spektrum von Haltungen und Gesichtstypen zusammenbringt und subtil koloriert.

Provenienz

Zeittafel
Kunsthandlung Johann Plobner, Wien
26. 5.1944für den "Sonderauftrag Linz" für RM 1.800 erworben2

Die TVK München ermittelte, dass das vorliegende Gemälde über die Kunsthandlung Johann Plobner, Wien erworben wurde. 3

Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes: Alle Querverweise bestätigen nach umfassender Recherche im Bundesarchiv die vorliegenden Angaben, fördern jedoch keine neuen Erkenntnisse zutage.4 Der Kaufpreis betrug RM 1.800.
Die Kommission für Provenienzforschung beim Bundesdenkmalamt Wien konnte für das vorliegende Aquarell ebenfalls keine weiterführenden Angaben zur Herkunft machen. 5 Zur Kunsthandlung Johann Plobner, Wien liegen nach Anfrage bei der Kommission für Provenienzforschung beim Bundesdenkmalamt Wien noch keine Informationen vor. Plobner verkaufte von 1943 bis 1944 vier Gemälde an den Sonderauftrag Linz. 6

Die kunsthistorischen Recherchen ergaben Folgendes: Hartmanns Oeuvre ist weder durch den Künstler selbst dokumentiert noch durch die kunsthistorische Forschung in einem Werkverzeichnis aufgearbeitet worden, das vorliegende Aquarell lässt sich in der Literatur nicht nachweisen.7
Nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler des GNM kopiert das Blatt unter Veränderung von Beiwerk und stehendem Mädchen eine Vorzeichnung oder, wie in der rückseitigen Beschriftung vermerkt, eine 1817 datierte Radierung von Johann Christoph Erhard (1795-1822). 8 Eine Bleistiftzeichnung Hartmanns „Alter Jude mit seiner Tochter“, welche diese Radierung seitengleich wiedergibt, befindet sich im GNM. 9 Die Thematik der Darstellung lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einordnen. Der von Nagler überlieferte Rückgriff Hartmanns auf Gedichte Itzig Veitel Sterns könnte auch antisemitischen, zumindest karikierenden Charakter tragen, da es sich bei diesen Gedichten um vorwiegend in den 1820er und 1830er Jahren unter dem Pseudonym Stern verfasste Parodien und Satiren auf die jüdische Bevölkerung seitens des Nürnberger Politikers und Antisemiten Johann Friedrich Sigmund von Holzschuher (1796-1861) handelte.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle Quellen ausgeschöpft sind. Anhaltspunkte für weitere Recherchen liegen derzeit nicht vor.

Stand: 2011

1 Für Folgendes vgl. Brulliot 1, 1832, S. 27 Nr. 1295; Nagler, Monogr. 4, 1871, S. 533 Nr. 1715; Seubert 2, 1878, S. 177; Müller/Singer 2, 1921, S. 135; Thieme/Becker 16, 1923, S. 77; Nagler, KL 6, 1924, S. 338f.; Bénézit 4, 1999, S. 778; Grieb 2, 2007, S. 581.
2 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, 45176 Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummern lauten Aussee 9086 und Jv. 2136
3 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, 45176 Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummern lauten Aussee 9086 und Jv. 2136.
4 BArch Koblenz B 323/86/389; B 323/132/79/379 [LF XVIa/59/379] (Einlieferung von Kunsthandel Plobner in das im Dorotheum eingerichtete Sammellager am 27. 5. 1944); B 323/140/63/310 [LF XXa/63/310] (Rechnung Kunsthandel Plobner an Dr. Voss vom 26. 5. 1944); B 323/153/64/344f. [LF XXVII/64/344f.] (Zahlungsanweisung vom 26. 5. 1944); B 323/1202/27 (von Dr. Wiedemann, Dresden, geführtes handschriftliches Verzeichnis der Linz-Ankäufe).
5 BDA Archiv, RestMat., K 12 -1, Mappe 10, Hartmann ist in dieser CACP Liste aufgeführt.
6 Vgl. http://www.dhm.de/datenbank/linzdb/ (unter Provenienz «Plobner»): Palamedesz, Stevaerts (1607-1638) mü 4893, Roos, Henry de (Roos af Hjelmsäter) (1791-1848) E 16, Tschaggeny, Frédéric Pierre (1851-1921) Iv 2174.
7 Die in den in Anm. 1 genannten Nachschlagewerken verzeichneten Erwähnungen Hartmanns beschränken sich ausschließlich auf kurze Nennungen des Künstler. Das vorliegende Werk taucht darin nicht auf.
8 Apell 1866, S. 106f. Nr. 188. Der erläuternde Text lautet: “Die Judenfamilie am Ofen. Das Innere eines Zimmers im sog. Lazenhof in der Judengasse zu Wien. Vor einem großen, mit einem Schragen umgebenen Ofen sitzen, von vorn gesehen, zwei alte Juden auf der Ofenbank, von denen der eine die Hände in einem Muff, der andere in den Taschen hält. Rechts von ihnen sitzt, die rechte Hand erhoben, ein Judenweib auf der Seitenwand eines einfachen Brettes [Bettes]. Über diesem hängt ein Ölfläschchen und ein Zinnkrug; ein anderer steht in einer Vertiefung daneben. Links von den beiden Alten steht ein Mädchen und spielt mit einer auf der Ofenbank kauernden Katze. Neben dem Mädchen bemerkt man einen Hahn, ein Huhn und 2 junge Enten. Man liest rechts unten, außerhalb der Einfassungslinie: ‚Nach der Nat. gez. und rad. v. J. C. Erhard 1817.’“ Apell verzeichnet zur Radierung eine Studienzeichnung mit hebräischer Inschrift, 2 Zustände und eine gleichseitige Kopie von Sonntag.
9 Vgl. Neuerwerbungen GNM 1968, S. 178f.

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