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Charlemont, Hugo

Storch

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Leinwand
Maße 123,5 x 48 cm
Münchener-Nr. 45183
Linz-Nr. Keine
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Hugo Charlemont (1850–1939) war ein österreichischer Maler, Zeichner und Radierer.[1] Seine Ausbildung erhielt er ab 1873 unter dem Landschaftsmaler Eduard Peithner von Lichtenfels (1833–1913) an der Wiener Akademie sowie in Holland. Anschließend bildete er sich bei seinem Bruder Eduard Charlemont (1848–1906) und Hans Makart (1840–1884) weiter aus. Der Künstler gilt als vielseitiges Talent. Er arbeitete in Öl, Aquarell sowie Gouache und fertigte zahlreiche Radierungen an. Zu seinem Œuvre zählen Stillleben, Landschaften, Genrebilder und Porträts. Besonders hervorzuheben sind seine Stillleben und Tiermotive, die in der Art des bedeutenden Tiermalers Melchior de Hondekoeter (1636–1695) gefertigt sind. Werke des Künstlers befinden sich heute in Museen in Wien, Budapest, Prag und Chicago.

Das Gemälde zeigt einen Storch nach rechts, umgeben von üppigen Pflanzen. Links über seinem Kopf befindet sich eine rote Blume vor blauem Grund.

Das Werk ist unten rechts signiert „Charlemont“, jedoch nicht datiert.

Ein Werkverzeichnis des Künstlers konnte nicht ermittelt werden. Darüber hinaus wurde die einschlägige Literatur zum Künstler überprüft.[2]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „45183“ (Mü-Nr.); in Bleistift „[…] Margarethe“ (nicht identifiziert); in weißer Kreide „Iv. 2186“ (nicht identifiziert), „32“ (Nr. Dorotheum 1944); Stempel „Eigentum der Bundesrepublik Deutschland“ (Provenienznachweis, nach 1949); in Rot „2“ (nicht identifiziert).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Leipzig 1999, S. 392f.

[2] Ohne Treffer: Friedrich von Boetticher, Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. Beitrag zur Kunstgeschichte, Dresden 1891–1901, Bd. 1, S. 177.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
16.03.1943Angeboten beim Auktionshaus Dorotheum, Wien
(…) 
06.07.1943Angeboten beim Auktionshaus Dorotheum, Wien
(…) 
O. J.Orientalisches Kunstgewerbehaus Franz Horel, Wien
O. J.Übernahme durch das Auktionshaus Dorotheum, Wien
Bis 26.09.1944Dr. Stefan Schwartz, Wien
Ab 26.09.1944Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Nach September 1944Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
29.09.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Das Gemälde stand am 16. März 1943 im Rahmen einer Auktion im Versteigerungshaus Dorotheum in Wien zum Verkauf.[1] Im zugehörigen Auktionskatalog ist es zusammen mit einem weiteren Gemälde des Künstlers unter der Losnummer 18 verzeichnet, jedoch nicht abgebildet. Der Schätzpreis für beide Werke betrug RM 1.400,-. Ein Einlieferer sowie möglicher Käufername konnte nicht ermittelt werden.

Vermutlich blieben die Werke unverkauft, denn am 6. Juli 1943 wurden sie erneut im Dorotheum zum Verkauf angeboten.[2] Im Auktionskatalog sind sie unter der Losnummer 821 verzeichnet, jedoch nicht abgebildet. Der Schätzpreis für beide Werke betrug abermals RM 1.400,-. Ein Einlieferer- sowie möglicher Käufername konnten auch für diese zweite Auktion nicht ermittelt werden.

Laut Unterlagen im Bundesarchiv Koblenz wurde das Gemälde zusammen mit einem weiteren Werk des Künstlers am 26. September 1944 für RM 2.000,- von Dr. Stefan Schwartz (1884–?) durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben.[3] Eine Rechnung von Dr. Schwartz an den Sonderbeauftragten für Linz Dr. Hermann Voss (1884–1969), ausgestellt am Ankaufstag,[4] sowie eine Zahlungsanweisung von Dr. Voss an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei vom 29. September 1944 haben sich ebenfalls im Bundesarchiv erhalten.[5]

Zur Person Dr. Schwartz liegen derzeit nur wenige Informationen vor.[6] Bekannt ist, dass er als Kunst- und Antiquitätenhändler in Wien tätig war. Zudem betätigte er sich auf dem Gebiet der Metallbildhauerei. Wann und auf welchem Wege das Werk in seinen Besitz gelangte, ist derzeit nicht bekannt.[7] In einem Schreiben des Dorotheums an Dr. Voss vom 28. September 1944 heißt es, das Werk sei vom Orientalischen Kunstgewerbehaus F. Horel, Kärtnerstr. 23 übernommen worden und „Ihrem Auftrag gemäss, dem Depot Führersonderauftrag, Kunstmuseum Linz, angeschlossen“. Das Depot enthielt zu jenem Zeitpunkt insgesamt 187 Kunstwerke.

Das Orientalische Kunstgewerbehaus J. Hugo Biel wurde 1894 als Spezialgeschäft für den Handel mit kunstgewerblichen, insbesondere japanischen und chinesischen Erzeugnissen gegründet.[8] Die Weltwirtschaftskrise sorgte dafür, dass ab dem Ende der 1920er Jahre verstärkt auch moderne Artikel und Kommissionswaren vertrieben wurden. Im Jahre 1933 gründete sich die offene Handelsgesellschaft J. Hugo Biel unter den beiden öffentlichen Gesellschaftern Jakob Hugo Biel (1872–1942) und Julius Biel (1868–?).[9] Letzterer trat bereits im März 1935 aus der Firma aus.

Jakob Hugo Biel war jüdischen Glaubens.[10] Die „Arisierung“ seiner Kunsthandlung erfolgte am 22. März 1938 durch den Kaufmann Franz Horel (1881–?).[11] Dieser erwarb das Unternehmen inklusive des gesamten Inventars für 20.000 Schilling, die in monatlichen Raten in Höhe von 400,- Schilling beglichen werden sollten.[12] Das Geschäft firmierte fortan unter dem Namen „Orientalisches Kunstgewerbehaus Franz Horel“. Inwiefern der Kaufpreis an Jakob Hugo Biel in voller Höhe ausgezahlt wurde, ist derzeit nicht bekannt.

Nach dem Verkauf betrieb Jakob Hugo Biel unter dem Namen Propagandaschau Biel & Co. wohl noch bis mindestens zum 30. April 1938 ein Geschäft zur „Vermietung von Schaufenstern, Vitrinen und Kojen“.[13] Dieses wurde im Oktober 1935 gegründet und hatte seinen Sitz ebenfalls in der Kärtnerstraße 23.[14] Mitinhaber war der jüdische Kaufmann Fritz Mandl (1901–?).[15] Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich litt das Geschäft zunehmend „unter der politischen Situation“. Aus Unterlagen des Österreichischen Staatsarchivs geht hervor, dass etwa „Firmen, die bereits Vitrinen zu Ausstellungszwecken gemietet hatten, dieser unter Berufung auf die augenblicklichen Verhältnisse wieder stornieren“.[16] Am 31. März 1939 wurde das Geschäft ebenfalls von Horel für RM 6.667,- übernommen[17] und am 9. Mai 1939 offiziell „arisiert“.[18] Jacob Hugo Biel wurde am 15. Oktober 1941 in das Ghetto Litzmannstadt (heute Łódź in Polen) deportiert und dort am 4. März 1942 ermordet.[19] Mit Schreiben der Gestapo vom 5. April 1943 wurde sein gesamtes Vermögen zu Gunsten des Deutschen Reiches eingezogen.[20]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 29. September 1947 in den Central Collecting Point in München verbracht.[21] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[22]

Bearbeitungsstand: 2019

[1] Für das Folgende vgl. Auk.kat. Ölgemälde, Aquarelle, Miniaturen, Zeichnungen, Graphik, Skulpturen und Holzarbeiten, Einrichtungsgegenstände, Teppiche, Textilien, Gold und Silber, verschiedene Metallarbeiten, Waffen, Porzellan, Ton, Terrakotta, Ausgrabungen, Verschiedenes, Japonika, Dorotheum, Wien, 16.–19.03.1943, S. 5, Los 18, angeboten als „zwei Tierstücke, Pineaux [sic], Öl auf Leinwand, eines davon bez., 124 x 48 cm“.

[2] Für das Folgende vgl. Auk.kat. Ölgemälde, Aquarelle, Ikone, Miniaturen, Zeichnungen, Graphik, Skulpturen, Einrichtungsgegenstände, Metallarbeiten, Gold und Silber, Bildteppiche u. a. Textilien, Fayencen, Glas Porzellan, Ausgrabungen und Japonica, Dorotheum, Wien, 22.–24.06./06.–08.07.1943, S. 46, Los 821, angeboten als „zwei Tierstücke, Panneaux, Öl auf Leinwand, eines davon bez., 124 x 48 cm“.

[3] Vgl. BArch Koblenz, B 323/1202, Ankäufe für den „Sonderauftrag Linz“ vom 8. Dez. 1942 bis 6. Apr. 1945. Aufstellung von Fritz Wiedemann, Staatliche Gemäldegalerie Dresden, 1942–1945, Bl. 41. Das zweite Werk mit der Mü-Nr. 45182 befindet sich heute ebenfalls in Bundesbesitz. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um das Gegenstück aus den Auktionen im Dorotheum in Wien am 16.–19.03.1943 und 22.–24.06./06.–08.07.1943.

[4] Vgl. BArch Koblenz, B 323/174, Rechnungen, Überweisungsanträge sowie -aufträge, 1944–1945, Bl. 47, hier als „Stilleben“.

[5] Vgl. ebd., Bl. 46.

[6] Für das Folgende vgl. WStLA, Einwohnermeldekartei, Wien zu Dr. Stefan Schwartz, Meldezettel über Geschäftsräume vom 16.11.1947. Vermutlich handelt es sich um den Sohn des gleichnamigen österreichischen Bildhauers und Medailleurs Prof. Stefan Schwartz (1851–1924). Vgl. Barbara Preis, Weibliche Lehrkräfte und Schülerinnen der Reichshochschule für Musik in Wien 1938–1945. Studien – Berufsentwicklung – Emigration, Univ.Diss., Universität Wien, Wien 2009, S. 278.

[7] Für das Folgende vgl. BArch Koblenz, B 323/132, Ankäufe für den „Sonderauftrag Linz“ aus dem deutschen und österreichischen Kunsthandel und Privatbesitz, 1939–1945, Bl. 69, hier als Nr. 32 „1 Panneaux mit grossem Vogel“.

[8] Für das Folgende vgl. ÖStA, „Ansuchen um nachträgliche Genehmigung der Veräußerung“ von Jakob Hugo Biel, Wien vom 03.06.1938 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[9] Für das Folgende vgl. ÖStA, VA. 206, Jakob Hugo Biel, „Verzeichnis über das Vermögen von Juden“ vom 29.06.1938.

[10] Vgl. ebd.

[11] Franz Horel wurde am 26.10.1881 in Wien geboren. Er nahm als Soldat, später als Offizier am Ersten Weltkrieg teil. Von 1923 bis 1925 gehörte er der NSDAP an. Vgl. ÖStA, „Ansuchen um Genehmigung der Erwerbung“ von Franz Horel, Wien vom 10.11.1938 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[12] Für das Folgende vgl. WStLA, Handelsgericht Wien, HRA 7912, Handelsregisterakte zu Orientalisches Kunstgewerbehaus Franz Horel. Laut Unterlagen der Vermögensverkehrsstelle im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in Wien war Horel ab dem 11.04.1938 Alleininhaber der Firma Orientalisches Kunstgewerbehaus Franz Horel. Vgl. ÖStA, „Ansuchen um Genehmigung der Erwerbung“ von Franz Horel, Wien vom 10.11.1938 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[13] Vgl. ÖStA, VA. 206, Jakob Hugo Biel, Gewinn- & Verlust-Konto vom 01.01.1938 bis 30.04.1938.

[14] Vgl. ÖStA, „Ansuchen um nachträgliche Genehmigung der Veräußerung“ von Jakob Hugo Biel, Wien vom 03.06.1938 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[15] Vgl. ÖStA, Schreiben von Franz Horel, Wien an die Vermögensverkehrsstelle, Wien vom 25.07.1939 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[16] Vgl. ÖStA, Begründung der Vermögensverkehrsstelle, Wien vom 18.10.1939 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[17] Vgl. ÖStA, Schreiben der Propagandaschau Biel & Co., Wien an die Vermögensverkehrsstelle, Wien vom April 1939 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. In einem Dokument der Vermögensverkehrsstelle im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in Wien heißt es, die „Übernahme durch Horel erfolgte nur deshalb, weil das durch ihn erworbene Unternehmen ‚Orientalisches Kunstgewerbehaus‘ sich bei der Propagandaschau in Untermiete befindet.“ Vgl. ÖStA, Aktennotiz der Vermögensverkehrsstelle, Wien vom 17.02.1939 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[18] Vgl. ÖStA, Schreiben der Firma Neider & O. Winheim, Wien an die Vermögensverkehrsstelle, Wien vom 17.10.1939 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[19] Vgl. Yad Vashem, The Central Database of Shoah Victim’s Names, Jakob Hugo Biel. URL: https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4929153&ind=0 [Abruf: 16.09.2019].

[20] Vgl. ÖStA, Einziehungserkenntnis der Gestapo, Wien vom 05.04.1943 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[21] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

[22] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) LostArt Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) (10) Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie (https://rkd.nl/nl/) [Abruf: 27.05.2019]. 

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