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Unbekannt, Italien, 17. Jahrhundert

Kredenz

Entstehungsjahr O. J.
Technik Holz, Bronze, teilvergoldet/Schreinerarbeit
Maße 112,0 cm x 296,0 cm x 60,0 cm
Münchener-Nr. 6030
Linz-Nr. Keine
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der Kredenz wurde im 17. Jahrhundert in Italien hergestellt.

Der zweitürige Kredenz ist aus Holz gefertigt und mit geschnitzten, teilweise  vergoldeten Dekorteilen und Bronzegriffen verziert. Zwischen den Türen im Mittelteil des Möbels und den schrägen Außenteilen befinden sich Pilaster mit ionischen Kapitellen und Dekor.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Bis 1941/1942Alessandro Graf Contini Bonacossi (1878–1955), Florenz
Ab 1941/1942Hermann Göring (1893–1946)
01.08.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Der Kredenz befand sich einst im Eigentum von Alessandro Graf Contini Bonacossi (1878–1955), Florenz.[1] Contini war Senator und Chefberater Benito Mussolinis (1883–1945) in finanziellen Angelegenheiten. Er besaß eine umfangreiche Sammlung und handelte selbst mit Kunstwerken.[2] Zu seinen Geschäftskontakten im Deutschen Reich gehörten unter anderem Hans Posse (1879–1942), Hermann Göring (1893–1946) sowie Walter Andreas Hofer (1893–1971). Letzterer kaufte in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft im Auftrag von Göring 49 Kunstwerke bei Contini.[3]

Um 1941/1942 erwarb Göring die italienische Kredenz von Contini.[4]

Hermann Wilhelm Göring war ein deutscher Politiker und von 1928 bis 1945 Mitglied des Reichstages für die NSDAP.[5] In seinem Jagdschloss „Carinhall“ in der Schorfheide trug er eine umfangreiche Kunstsammlung zusammen, die etwa 3.100 Kunstwerke umfasste.[6] Der Schwerpunkt seiner Sammlung lag auf der Kunst des Mittelalters, der Renaissance sowie der französischen Gotik.[7] Daneben befanden sich mehr als 600 Gemälde holländischer Künstler des 16. und 17. Jahrhunderts in seinem Besitz. Leiter der Gemäldesammlung Görings war der frühere Berliner Kunsthändler Walter Andreas Hofer (1893–1971).[8] Dieser war nicht nur am Sammlungsaufbau beteiligt, sondern führte auch die Inventarisierung der Kunstwerke fort, die in mehreren Verzeichnissen von Görings Privatsekretärin Gisela Limberger (1893–1980) begonnen wurde.[9] Erwerbungen für die Sammlung Göring wurden auf den Kunstmärkten im Deutschen Reich, in den Niederlanden, Frankreich, Italien, Polen und der Schweiz getätigt[10] und zu einem großen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert.[11] Häufig traten sowohl Privatpersonen als auch Göring direkt unterstellte Behörden, wie das Reichsforstamt, die Vierjahresplanbehörde und das Reichsjagdmuseum, als Erwerber zugunsten der Sammlung des Reichsmarschalls auf.[12] Auch Tauschgeschäfte waren nicht unüblich.[13] Darüber hinaus erwarb Göring Kunstwerke aus Enteignungen und Zwangsverkäufen im Deutschen Reich sowie den besetzten Gebieten. Er pflegte Kontakte zu bekannten Akteuren des NS-Kunstraubs, wie den Kunsthändlern Alois Miedl (1903–1990), Josef Angerer (1899–1961), Gustav Rochlitz (1889–1972) und Walter Bornheim (1888–1971).[14] Auch war ihm ab 1938 das Devisenschutzkommando unterstellt, das gegen die „Abwanderung“ von Kapital ins Ausland vorgehen sollte.[15] Mit dem Auftrag, Kunstwerke, Devisen und andere Vermögenswerte in den besetzten Ostgebieten sowie ab 1940 in Belgien, Frankreich und den Niederlanden aufzuspüren und zu konfiszieren,[16] war das Devisenschutzkommando in besonderem Maße an der systematischen Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich beteiligt.[17] Überliefert sind ebenfalls Erwerbungen aus Beschlagnahmungen des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg (ERR) für die Sammlung Göring.[18]

Mit dem Näherrücken der Front zum Ende des Zweiten Weltkrieges verlegte Göring einen großen Teil seiner Sammlung nach Bayern. Über den Auslagerungsort Berchtesgaden gelangte der Kredenz am 1. August 1945 in den Central Collecting Point in München.[19] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung diesen mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

In den Verhandlungen der Nachkriegszeit zwischen Deutschland und Italien wurde die Rechtmäßigkeit aller Erwerbungen in Italien geprüft.[20] Identifizierbares Eigentum Italiens oder italienischer Staatsangehöriger, das durch deutsche Streitkräfte oder Behörden unter Gewalt- oder Zwangsanwendung nach dem 3. September 1943 aus italienischem Hoheitsgebiet nach Deutschland verbracht wurde,[21] restituierte die Bundesrepublik Deutschland im Wege der Äußeren Restitution an Italien. Die Kriterien für eine Rückführung lagen bei diesem Objekt nicht vor.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[22]

Bearbeitungsstand: 2019

[1] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 6030.

[2] Für das Folgende vgl. Günther Haase, Die Kunstsammlung des Reichsmarschalls, Berlin 2000, S. 305.

[3] Vgl. NARA, M1782. URL: www.fold3.com/image/114/231998973 und folgende. ALIU, Consolidated Interrogation Report No. 2. The Goering Collection, 15.09.1945, S. 100ff.

[4] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 6030.

[5] Vgl. Deutsches Historisches Museum, Lebendiges Museum Online, Biografie, Hermann Göring 1893–1946. URL: www.dhm.de/lemo/biografie/hermann-goering [Abruf: 19.02.2020].

[6] Vgl. Hanns Christian Löhr, Der Eiserne Sammler. Die Kollektion Hermann Göring. Kunst und Korruption im „Dritten Reich“, Berlin 2009, S. 98.

[7] Für das Folgende vgl. ebd., S. 127.

[8] Vgl. BArch Koblenz, B323/68, ab Bl. 111.

[9] Vgl. Löhr 2009, S. 95. Ein „Katalog der Sammlung Göring“ befindet sich heute im Bundesarchiv Koblenz. Vgl. BArch B 323/316–320.

[10] Für das Folgende vgl. ebd., S. 24–27.

[11] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Hermann Göring. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Verantwortliche/G/G%C3%B6ring,%20Hermann.html [Abruf: 19.03.2020].

[12] Vgl. Löhr 2009, S. 102.

[13] Vgl. ebd., S. 10.

[14] Vgl. ebd., S. 67/105 und Sabine Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz. Dingliche Herausgabeansprüche nach deutschem Recht, Berlin 2007, S. 55.

[15] Vgl. ebd., S. 40/53.

[16] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Devisenschutzkommando. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Verantwortliche/D/Devisenschutzkommando.html [Abruf: 19.03.2020].

[17] Vgl. Löhr 2009, S. 52.

[18] Vgl. ebd., S. 40/53/99.

[19] Vgl. ebd.

[20] Für das Folgende vgl. Emanuel C. Hofacker, Rückführung illegal verbrachter italienischer Kulturgüter nach dem Ende des 2. Weltkrieges, Berlin 2004, S. 102ff. Artikel 77 des Friedensvertrages von Paris, der am 15.09.1947 in Kraft trat, regelte das italienische Recht auf Restitutionen aus der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands.

[21] Vgl. Art 77 Abs. 2 des Friedensvertrag zwischen den Alliierten und assoziierten Mächten und Italien vom 10.02.1947.

[22] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) LostArt Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (6) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (7) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 05.02.2019].

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