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Pacher-Schule, Michael

Engel von einer Taufe Christi

Entstehungsjahr um 1490
Technik Bildschnitzerei
Maße 102 cm
Münchener-Nr. 6077
Linz-Nr. Keine
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Die Bildschnitzerei eines unbekannten Künstlers aus dem 15. Jahrhundert wurde früher als ein Werk aus der Schule des Michael Pacher (um 1435 bis 1498 in Tirol) angesehen.

Sie befindet sich derzeit als Leihgabe beim Leihnehmer. Von dort wurde die Zuschreibung geändert. Die og. Holzplastik soll eine Arbeit aus der Werkstatt des Tiroler Künstlers Hans Klocker sein, entstanden um 1490/1495. Hans Klocker lebte ungefähr von 1474 bis nach 1500.1 Er führte eine große Werkstatt in Brixen.2

Provenienz

Zeittafel
früher Sammlung Figdor Wien
zu einem nicht bekannten Zeitpunktvon der Kunsthandlung Hinrichsen, Berlin an den Münchener Kunsthändler Walter Bornheim verkauft
zu einem nicht bekannten Zeitpunktbei der Kunsthandlung Bornheim, München als Geschenk für Hermann Göring erworben3

Zur Provenienz der hier interessierenden Holzplastik hatte die frühere Treuhandverwaltung Kulturgut (TVK) bereits ermittelt. Die Figur befand sich bei Kriegsende in der Sammlung von Hermann Göring und wurde mit dieser beschlagnahmt. Diese Holzplastik war bei dem Kunsthändler Walter Bornheim4 von einem nicht mehr zu ermittelnden Käufer als Geschenk für Göring erworben worden.5

Die neueren Recherchen zu Walter Bornheim ergaben, dass er der Inhaber der Galerie für alte Kunst in München war.6 Als der bekannte Münchener Kunsthändler Franz Drey von der Kunsthandlung A.S. Drey 1936 Deutschland aufgrund seiner jüdischen Abstammung verlassen musste, trat dessen Anwalt Dr. Alexander Spengler an Bornheim mit dem Vorschlag heran, die Firma A.S. Drey zu übernehmen. Bornheim, der nie der NSDAP angehörte, übernahm zusammen mit seiner Frau die Firma und das Lager mit Kunstgegenständen im Wert von RM 300.000.

In einem Schreiben vom 02.09.1955 bat die TVK den Kunsthändler Bornheim, die von ihm zuvor mündlich gemachten Angaben zu den An- und Verkäufen seiner Kunsthandlung schriftlich zu bestätigen. In seinem Antwortschreiben bezeichnete Bornheim die hier interessierende Holzplastik als "Engel, von einer Taufe Christi", die er von dem Kunsthändler Hinrichsen7 erworben habe.8
In diesem Zusammenhang wies Bornheim darauf hin, dass diese Plastik früher Teil der Sammlung Dr. Albert Figdor in Wien war. Im Auktionskatalog zur Versteigerung der Sammlung Figdor im Jahr 1930 wurde die og. Plastik als alpenländisch, entstanden um 1470-80, Zirbelholz, 100 cm hoch, beschrieben.9

Neuere Recherchen ergaben10 , dass Dr. Albert Figdor die Holzplastik im Jahre 1908 in Salzburg für seine Sammlung erworben hatte. Diese Sammlung übereignete er noch vor seinem Tod im Jahre 1927 seiner Nichte Margarete Becker-Walz. Mit Kaufvertrag vom 06.12.1928 übernahm ein Konsortium, bestehend aus Jakob Goldschmidt, Fritz Thyssen, Franz Koenigs, Edwin Czeczowiczka, der Kunsthandlung Paul Cassierer und der Danat-Bank die wertvolle Sammlung. Zur Begleichung der Kaufsumme hatte das Konsortium einen Kredit in Höhe von 10 Mio RM bei der Danat-Bank aufgenommen. Die Kaufsumme wurde in drei Raten zum 05.01.1930 bezahlt.

Die Versteigerung der Sammlung Figdor erfolgte dann im Juni 1930 in Österreich und im September 1930 in Berlin. Eine große Anzahl an Kunstwerken, darunter die Holzplastik "Engel von einer Taufe Christi", wurden nicht verkauft und in den Räumen der Bank eingelagert. Die Einnahmen aus den Versteigerungen im Jahre 1930 konnten die entstandenen Kosten und die fällige Rückzahlung des Bankkredits bei der Danat-Bank nicht abdecken.

Nach dem Zusammenbruch der Danat-Bank im Jahre 1931 wurde diese von der Dresdener Bank übernommen und damit auch die Kreditforderung gegenüber dem Konsortium für den Verkauf der Sammlung Figdor. Gleichzeitig wurde der 20%e Anteil der Danat-Bank am Konsortium übernommen. Nachdem die restlichen Bestände der Kunstsammlung bis zum Jahre 1935 nicht verkauft werden konnten, drang die Dresdener Bank auf einen Verkauf der eingelagerten Kunstwerke, um ihre offenen Kreditforderungen zu befriedigen. Es konnte bislang nicht geklärt werden, ob der Dresdener Bank wegen der überfälligen Kreditschulden des Konsortiums bereits das Eigentum an dem eingelagerten Bestand an Kunstwerken zustand. Tatsächlich wurde dieser Restbestand im August 1935 von der Dresdener Bank en bloc für 3,5 Mio RM an das Land Preußen verkauft, obwohl die Hauptkonsorten Goldschmidt und Thyssen einen Kaufpreis nicht unter 4 Mio RM forderten. Allerdings hatte die Dresdener Bank mit der Kündigung des Konsortiums gedroht, was wohl zu einer Zwangsversteigerung der Kunstwerke geführt hätte. Die an den Staat Preußen verkauften Kunstwerke wurden von den Staatlichen Museen zu Berlin übernommen. Insbesondere der "Engel von einer Taufe Christi" wurde nachweislich im Kaiser-Friedrich-Museum inventarisiert und von dort im Sommer 1936 an den Kunsthändler Johannes Hinrichsen in Berlin verkauft.

Die Provenienz ist geklärt. Der Verkauf der Sammlung Figdor war unabhängig von der Herrschaft des NS-Regimes zu einem Verlustgeschäft für die Konsorten geworden. Ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust an diesem Kunstwerk kann ausgeschlossen werden.

Stand: 2016

1 de.wikipedia.org/wiki/Hans_Klocker
2 de.wikipedia.org/wiki/Hans_Klocker
3 Karteikarte BADV zu Mü-Nr. 6077
4 www.lostart.de/...ProvenienzRaubkunst/.../Drey,%20Siegfried.html?...
5 Karteikarte BADV zu Mü-Nr. 6077
6 Für das Folgende vgl. Haase 2000, S. 31.
7 Wahrscheinlich handelte es sich um die Kunsthandlung Lindpaintner & Hinrichsen, Berlin, Bellevuestraße 5. Es sind keine Geschäftsunterlagen überliefert.
8 Auskunft Bornheim vom 02.09.1955, B323/516
9 29.9.1930: In Berlin erzielt die Auktion der Kunstsammlung des österreichischen Bankiers Albert Figdor rund 3 Mio. RM. Allein für das Gemälde "Der verlorene Sohn" von Hieronymus Bosch zahlt ein niederländischer Interessent 385 000 RM. Quelle: www.chroniknet.de/daly_de.0.html?year=1930&month=9... ;
Katalog: Die Sammlung Dr. Albert Figdor, Wien. Erster Teil. Handkatalog für die Berliner Versteigerung, Verlag: Berlin; Wien: Cassirer; Artaria & Glückselig 1930
10 Lynn Rother, Zu groß für Einen. Zum An- und Verkauf großer Sammlungen durch Konsortien am Beispiel Figdor, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 2010, Jg. XLVI (2011), S. 343-355

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