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Unbekannt, Persien, um 1930

Persien (Sultanabad), Bodenteppich

Entstehungsjahr um 1930
Technik Wolle/Knüpftechnik
Maße 633 cm x 450 cm
Münchener-Nr. 6674
Linz-Nr. keine
Lost Art-ID 583882
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der Bodenteppich wurde vermutlich um 1930 in Sultanabad (heute Arak, Iran) in Persien hergestellt.[1] Er hat einen roten Grund mit blauem Muster und hellbrauner Borte.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: Pergamentzettel der Firma Quantmeyer & Eicke [unleserlich]; Etikett „Alter Besitz No. 8 Not. 7. April 1942“ (nicht identifiziert).

[1] Vgl. BVA-Archiv, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 6674.

Provenienz

Zeittafel
(…)           
Bis 07.04.1942Firma Quantmeyer & Eicke, Berlin
Ab 07.04.1942Hermann Göring (1893–1946)
05.08.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Ein Zettel auf der Rückseite weist darauf hin, dass sich der Bodenteppich einst im Besitz der Firma Quantmeyer & Eicke befand.[1] Ob diese den Teppich direkt in Persien erwarb bzw. dort in Auftrag gab, ist nicht bekannt.

Die Firma Quantmeyer & Eicke wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Wilhelm Quantmeyer (1859–1934) und Robert Eicke (1857–?) in Berlin gegründet. Zunächst spezialisiert auf den Handel mit Linoleum, wurde das Angebot um 1898 auf Teppiche deutscher und orientalischer Herkunft ausgedehnt.[2] Belegt ist, dass die Firma bereits im Jahre 1914 als Hoflieferant für das Preußische Königshaus tätig war.[3] Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten zog sich Eicke am 1. Januar 1918 aus der Firma zurück.[4] Zwei Jahre später stieg der älteste Sohn von Wilhelm Quantmeyer, Hans-Joachim Quantmeyer (1894–1945), als Teilhaber in die Firma ein. Dieser war seit 1933 Mitglied der NSDAP. Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1934 wurde Hans-Joachim Quantmeyer alleiniger Inhaber des Geschäfts. Unter seiner Leitung wurden auch Gardinen, Dekorations- und Möbelstoffe sowie Tapisserien in das Firmenprogramm aufgenommen. Weiterhin betätigte sich Hans-Joachim Quantmeyer als Importeur von Teppichen, Möbeln und Kunstgegenständen. Im Jahre 1936 wurde die Firma Quantmeyer & Eicke als „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“ anerkannt und gefördert. Zusammen mit seinem Vetter Josef Angerer (1899–1961), der als Prokurist für die Firma tätig war, stattete Hans-Joachim Quantmeyer Angehörige des NS-Regimes, darunter Adolf Hitler (1889–1945), Joseph Goebbels (1897–1945), Hermann Göring (1893–1946) und Albert Speer (1905–1981), mit Textilien und Kunstgegenständen aus. Die Firma war weiterhin beteiligt an der Einrichtung der Neuen Reichskanzlei und des Hauses des Fliegers in Berlin, des Berghofes in Berchtesgaden sowie des Führerbaus in München. Zudem erstellte Hans-Joachim Quantmeyer im Jahre 1938 im Auftrag der Reichskammer der bildenden Künste eine Liste jüdischer Unternehmern, die „arisiert“ bzw. liquidiert werden sollten.[5] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden für die im sowjetischen Sektor befindlichen Unternehmensteile mit SMAD-Befehl Nr. 124 die Sequestration angeordnet. Diese wurden am 8. Februar 1949 in das Eigentum des Volkes überführt.[6]

Am 7. April 1942 erwarb Hermann Göring den Bodenteppich von der Firma Quantmeyer & Eicke.[7]

Mit dem Näherrücken der Front zum Ende des Zweiten Weltkrieges verlegte Göring einen großen Teil seiner Sammlung nach Bayern. Über den Auslagerungsort Berchtesgaden gelangte der Teppich am 5. August 1945 in den Central Collecting Point in München.[8] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung diesen mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[9]

 

Bearbeitungsstand: 2019

[1] Vgl. BVA-Archiv, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 6674.

[2] Vgl. Barbara Schröter, Stoff für Tausend und ein Jahr. Die Textilsammlung des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt (GBI) Albert Speer, Dissertation, Freie Universität Berlin, 2012, S. 125.

[3] Vgl. LA Berlin, C Rep. 105, Nr. 1604. Laut Anwaltsschreiben im Auftrag der Erben nach Hans-Joachim Quantmeyer vom 18.02.1946.

[4] Für das Folgende vgl. Schröter 2012, S. 125ff.

[5] Im Rahmen der Recherchen im LA Berlin ließ sich eine Beteiligung der Firma Quantmeyer & Eicke am Gesellschaftskapital von politisch oder rassisch verfolgten Personen im Sinne der Wiedergutmachungsgesetze nicht nachweisen.

[6] Vgl. LA Berlin, C Rep. 105, Nr. 1604.

[7] Vgl. BVA-Archiv, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 6674. Auf der zugehörigen Property Card der Ministerpräsidentenkartei ist als „Presumed Owner“ [Josef] Angerer angegeben. Vgl. BArch Koblenz, B 323/763.

[8] Vgl. BVA-Archiv, zugehörige Property Card des CCP München.

[9] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) LostArt Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 30.01.2019].

 

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