Navigation und Service

Uhde, Fritz (eigentlich Friedrich Karl Hermann) von

Die alte Näherin (Alte Frau)

Entstehungsjahr 1891
Technik Öl auf Leinwand
Maße 61,5 x 43,5 cm
Münchener-Nr. 8938
Linz-Nr. 216
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Fritz (eigentlich Friedrich Karl Hermann) von Uhde (1848–1911), ging 1866 für kurze Zeit an die Kunstakademie in Dresden, bevor er 1867 dem sächsischen Militär beitrat.[1] Gleichzeitig setzte er seine künstlerische Ausbildung bei Ludwig Albrecht Schuster (1824–1905), einem ehemaligen Schüler Horace Vernets (1789–1863), fort. Nach seiner Teilnahme an mehreren Schlachten, ging Uhde zunächst nach München. Dort lernte er den ungarischen Maler Mihàly von Munkáczy (1844–1900) kennen, dem er 1879 nach Paris folgte, um bei ihm in die Lehre zu gehen. 1880 kehrte Uhde nach München zurück. Hier schloss er u.a. Freundschaft mit Max Liebermann (1847–1935). Uhde gehörte zu den Begründern der Münchner Sezession und wurde als Nachfolger von Ludwig Dill (1848–1940) 1899 zum Vorstand gewählt. In einer realistischen Darstellungsweise behandelte er religiöse Themen, aber auch Genre- und Familienbilder.

Das Gemälde zeigt eine in einer Stube sitzende ältere Frau, die mit einer weißen Biedermeierhaube und eine Schürze über ihrem Kleid bekleidet ist. Sie ruht und hat ihre Hände auf den Schoß gelegt. Auf dem Tisch links neben ihr liegt vor einer grünen Petroleumlampe Stoff zum Nähen. Zu ihren Füßen steht in der linken Bildecke ein Korb, in dem sich weitere Wäsche befindet. Durch das Fenster hinter ihr sind schneebedeckte Häuser zu erkennen.

Das Werk ist seitlich links signiert „F. Uhde“, jedoch nicht datiert. Eine Entstehung im Jahre 1891 wird angenommen.[2]

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Rosenhagen (1908) enthalten.[3]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „216“ (Linz-Nr.); Aufschrift „4“, „CCCXLT(?) 243“ (nicht identifiziert); auf Leinwand, in weißer Kreide „244“ (nicht identifiziert), Stempel „[…] / A. Sch[…]tz[…] / MÜNCHEN“ (Künstlerbedarf); Stempel „Staedelsches Kunstinstitut 7/153“ (Leihnehmer vor 1945); Fragment eines Etiketts; weiße Etiketten und Stempel ehemaliger Leihnehmer (nach 1945).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 33, Leipzig 1999, S. 545-548.

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8938. 

[3] Vgl. Hans Rosenhagen (Hrsg.), Uhde. Des Meisters Gemälde in 285 Abbildungen, Klassiker der Kunst, Bd. 12, Stuttgart/Leipzig 1908, S. 37 und 108, Abb.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
1893–1935Martin Flersheim (1856–1935), Frankfurt am Main, erworben über Kunsthandlung Rudolf Bangel (1820–?), Frankfurt am Main
1935–1938Florence Flersheim (1864–1950), Frankfurt am Main, erworben durch Erbgang
1938Kunstsalon Hermes, Frankfurt am Main
1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
12.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2010Bundesvermögen
2010Restitution

Das Gemälde war einst Teil der Sammlung von Martin Flersheim (1856–1935), Frankfurt am Main.[1] Er erwarb es 1893 auf einer Versteigerung bei Rudolf Bangel (1820–?) in Frankfurt am Main.[2] Im Jahre 1924 gab Flersheim das Werk als Leihgabe in die Ausstellung „Deutsche Malerei in den letzten 50 Jahren“ in der Neuen Staatsgalerie München.[3] Eine frühere Ausstellung im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main, die anhand eines Stempels auf der Rückseite vermutet werden kann, war nicht zu ermitteln.[4]

Das Ehepaar Flersheim besaß eine umfangreiche Kunstsammlung sowie Bibliothek, die nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 1935 in das alleinige Eigentum von Florence Flersheim (1864–1950), geborene Livingston, überging.[5] Da sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Jüdin verfolgt wurde, verließ Florence Flersheim spätestens im Juni 1938 das Deutsche Reich und emigrierte über die Niederlande in die USA. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Auswanderung wurden Teile ihrer Kunstsammlung als national wertvolles Kulturgut deklariert und durften folglich nicht ausgeführt werden.[6] Die restlichen Kunstwerke gelangten als Umzugsgut nach Amsterdam, wo sie nach dem Einmarsch der deutschen Truppen auf Veranlassung des Reichsleiters Rosenberg im Juli 1944 beschlagnahmt wurden.[7] Um 1938 verließ das Gemälde „Die alte Näherin“ unter unbekannten Umständen die Sammlung Flersheim.

Der „Sonderauftrag Linz“ erwarb das Werk zu einem ebenfalls unklaren Zeitpunkt über den Frankfurter Kunstsalon Hermes.[8] Es erhielt dort die Linz-Nr. 216.[9] Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb vor Juli 1938 hin.[10]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 12. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht. Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesreublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Am 16. Dezember 1957 meldeten die Erben nach Florence Flersheim Schadenersatzansprüche nach dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) wegen der Entziehung der Kunstsammlung und anderer Wertgegenstände durch das Deutsche Reich an. Hinsichtlich der entzogenen Gegenstände bezog sich der Rechtsanwalt der Antragsteller auf die im vorausgegangenen Rückerstattungsverfahren vorgelegten Unterlagen. Dazu zählte der Katalog der Sammlung Flersheim aus den Jahren 1910/1911. Dem Antrag der Erben wurde in vollem Umfang stattgegeben. Für das fragliche Gemälde ist auf diese Weise Schadenersatz geleistet worden.

Die Provenienz ist geklärt.

Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt. Im Gegenzug wurde die früher gezahlte Schadenersatzleistung anteilig zurückgezahlt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Rosenhagen 1908, S. 37 und 108, Abb.

[2] Vgl. Sammlungskatalog, Galerie. Martin und Florence Flersheim, 1910/1911, S. 42f., Nr. 59, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[3] Vgl. Ausst.kat. Deutsche Malerei in den letzten 50 Jahren. Ausstellung von Meisterwerken aus öffentlichem und privatem Besitz, Neue Staatsgalerie München, 1924, 3. Kat.-Fassung: Kat.-Nr. 299, S. 45, Abb. und Carl Georg Heise, „Deutsche Malerei in den letzten fünfzig Jahren“. Die Münchner Ausstellung,  in: Kunst und Künstler, Jg. XXIII, Heft 1, Oktober 1924, S. 9, Abb. 

[4] Vgl. BArch Koblenz, B323/331, Schreiben Ernst Holzinger an Gerda Koester (Abschrift), Frankfurt a.M., 23.07.1951, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[5] Für das Folgende vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art-Datenbank, Meldung/Suche, Martin und Florence Flersheim. URL: www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/MeldungVerlust.html?cms_param=menu%3Dinfo%26INST_ID%3D11537#id52146 [Abruf: 08.04.2020].

[6] Vgl. Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Archiv, Akte 731, Ergänzung zur Liste der national wertvollen Kunstwerke Hessens, [1938], hier unter dem Titel „Alte Frau“ und Schreiben Städtische Galerie Frankfurt a.M. an Polizeipräsidenten, Frankfurt a.M., 12.05.1938, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[7] Vgl. Eidesstattliche Versicherung von Frederick G. Flersheim, dem Sohn von Martin und Florence Flersheim, vom 28.06.1953 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[8] Vgl. Ketterer Kunst, München, 435. Auktion, Kunst des 19. Jahrhunderts, 25.11.2016, Lot 20, hier heißt es zur Provenienz: „1938 Zwangsverkauf durch Florence Flersheim über den Kunstsalon Hermes, Frankfurt am Main, erworben vom Sonderauftrag Linz“. URL:

www.kettererkunst.de/kunst/kd/details.php?obnr=116003259&anummer=435&detail=1 [Abruf: 15.04.2020].

[9] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8938. 

[10] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004 (unpubliziert), S. 14.

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular