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Beerstraten, Jan Abrahahmsz.

Schiffbruch an felsiger Küste

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Leinwand
Maße 112 x 144,5 cm
Münchener-Nr. 9030
Linz-Nr. 1082
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Jan Abrahamsz. Beerstraten (1622–1666) war ein niederländischer Maler.[1] Zu den bevorzugten Sujets des Künstlers gehörten Amsterdamer Stadtansichten und südliche Seehäfen. Werke des Künstlers befinden sich heute im Rijksmuseum in Amsterdam sowie in Museen in Leipzig, München, Rotterdam und Kopenhagen.

Das Gemälde zeigt Schiffe auf dem Meer bei Sturm. Im Vordergrund sind sich rettende Seeleute dargestellt. Dahinter befindet sich links des Bildzentrums ein nach rechts geneigtes Schiff mit hohem Mast. Im Hintergrund sind weitere Schiffe zu sehen. Im rechten Bildteil ragt ein Felsen mit anbrandender See in den dunkel bewölkten Himmel. Als Titel sind „Schiffbruch an felsiger Küste“[2], „Schiffe im Sturm“[3] sowie „Segelschiffe bei Sturm an klippenreicher Küste“[4] überliefert.

Das Werk ist unten mittig signiert „Beerstraten“, jedoch nicht datiert.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide, zweimal „9030“ (Mü-Nr.); weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „1082“ (Linz-Nr); in Schwarz, zweimal „K86“ (Kremsmünster); in weißer Kreide „6“ (nicht identifiziert); in Bleistift „D“ (nicht identifiziert); in Bleistift, zweimal „6614“ (nicht identifiziert); in Buntstift, dreimal „771“ (nicht identifiziert).

Ein Werkverzeichnis des Künstlers konnte nicht ermittelt werden. Darüber hinaus wurde die einschlägige Literatur zum Künstler überprüft.[5]

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 1/2, Leipzig 1999, S. 171.

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9030.

[3] Vgl. Birgit Schwarz, Hitlers Museum, Wien 2002, S. 114, Nr. IV/31.

[4] Vgl. National Archives and Records Administration (NARA), Washington, D. C., M1946. URL: www.fold3.com/image/270049259 [Abruf: 30.04.2019]. Schreiben vom CCP München an Knapp, Berlin vom 31.01.1951.

[5] Ohne Treffer: Ger van der Most, Jan Abrahamsz Abraham, Anthonie Beerstraten. Kunstschilders uit de zeventiende eeuw, Noorden 2002.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Bis 1937/1938Ernst Lachmann (1884–1942), Berlin
1937/1938–13.04.1940Ferdinand Knapp (1882–1951), Berlin
13.04.1940–28.08. 1940Kunsthandlung Julius Böhler, München
Ab 28.08.1940Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
13.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Das Gemälde war einst Teil der Sammlung von Ernst Lachmann (1884–1942), Berlin.[1] Der Kaufmann war der Sohn des Justizrates Dr. Edmund Lachmann (1853–1909) und verheiratet mit Gisella Lachmann (1893– 1969), geborene Rabinerson.[2] Nach der  Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland wurde Lachmann als Jude verfolgt. Bereits ab 1933 hatte er durch Maßnahmen der NS-Verfolgung seine Einnahmequellen verloren und konnte nur noch mit der Verwaltung des Vermögens wohlhabender Verwandter ein gewisses Einkommen erzielen. Während Gisella Lachmann bereits um 1933 mit den beiden gemeinsamen Söhnen das Deutsche Reich verließ, blieb Ernst Lachmann in Berlin wohnhaft. Er konnte seine Familie noch bis ins Jahr 1937 in der Schweiz besuchen. Um der drohenden Deportation zu entgehen, beging Ernst Lachmann im Jahre 1942 Suizid.[3]

Um 1937/1938 erwarb der Berliner Antiquitätenhändler Ferdinand Knapp (1882–1951) das Gemälde von Lachmann für RM 2.500,-.[4] In einem Schreiben an den Central Collecting Point vom 7. Februar 1951 teilte Knapp zur Herkunft des Gemäldes mit: „Ich kann mich aber noch erinnern, dass ich das Bild von Beerstraten ich glaube im Jahre 1937 oder 1938 bei einem mir sehr gut bekannten Herrn Dr. Lachmann Mosse in in [sic!] Berlin, Bendlerstr. zu dem Schätzwerte von M 2.500,- Kassa erworben habe. Herr Dr. Lachmann war früher Kunde bei mir.“[5]

Knapp war ab 1933 Mitglied im neugegründeten „Deutschen Reichsverband des Kunst- und Antiquitätenhandels e. V.“.[6] Unter den Rubriken „Kunsthandlungen“ bzw. „Antiquitäten“ ist er in den Berliner Adressbüchern der Jahre 1935 bis 1943 nachweisbar.[7] In den Jahren 1936 und 1937 trat Knapp mehrfach als Verkäufer von Kunstwerken für die Sammlung von Reichsmarschall Hermann Göring (1893–1946) in Erscheinung.[8] Nach dem Krieg wurde Knapp von den US-amerikanischen Alliierten zu der Herkunft von Objekten befragt, die sich nun im CCP München befanden.[9] Im oben erwähnten Schreiben an den CCP München vom 7. Februar 1951 gab der Kunsthändler an, Berlin zusammen mit seiner Frau im November 1943 verlassen zu haben.[10] Sämtliche Geschäftsunterlagen der Antiquitätenhandlung Ferdinand Knapp seien anschließend durch „Plünderung und Zerstörung“ verloren gegangen.

Knapp veräußerte das Werk am 13. April 1940 an die Münchener Kunsthandlung Julius Böhler.[11] Diese wurde im Jahre 1880 vom gleichnamigen Kunsthändler (1860–1934) gegründet. Ab 1905 wurde sie im neu errichteten prachtvollen Stadtpalais und Geschäftshaus in der Briennerstraße von der Kunsthändlerfamilie Böhler sowie weiteren Teilhabern geleitet.[12] Zum Programm der Kunsthandlung gehörten insbesondere Möbel, Plastiken, Skulpturen, sowie Gemälde (Alte Meister) und Kunsthandwerk.[13] Angesichts der Qualität und Fachkompetenz gewann das Unternehmen ein hohes Ansehen bei Sammlern und Museen. Darüber hinaus zeichnete sich die Kunsthandlung durch ihre langjährigen und internationalen Kontakte aus. So verhalf Julius Böhler dem Berliner Kunsthändler Karl Haberstock (1878–1956) einen bedeutenden Anteil der Sammlung des deutsch-niederländischen Bankiers Fritz Gutmann (1886–1944) zu erwerben. In den Jahren 1933–1945 nutzten sein Enkel Julius Harry Böhler (1907–1979) sowie der Teilhaber Hans Sauermann (1885–1960) die Vorteile, die sich nicht-jüdischen Kunsthändlern durch die Ausschaltung ihrer jüdischen Konkurrenz und angesichts des größeren Angebots auf dem Kunstmarkt wegen der unter Verfolgungsdruck verkauften Kunstwerke boten. Neben einigen Erwerbungen für das Germanische Nationalmuseum kaufte die Kunsthandlung Böhler insbesondere für ihren eigenen Bestand oder auf Provisionsbasis bei Versteigerungen auch Objekte, die entzogen, beschlagnahmt, unter Zwang verkauft oder zu einem geringen Preisverschleudert wurden. Zum Beispiel auf den Auktionen der Restbestände der Münchner Kunsthandlung A. S. Drey und der umfangreichen Kunstsammlung Emma Budges (1852–1937), die von Paul Graupe (1881–1953) bzw. Hans W. Lange (1904–1945) in Berlin durchgeführt wurden. Ferner gab es direkte Ankäufe von jüdischen Sammlern, die während der NS-Zeit in Bedrängnis geraten waren.

Am 28. August 1940 wurde das Gemälde von Böhler für RM 6.500,- durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nummer 1082.[14] Eine Rechnung vom 28. August sowie eine Zahlungsanweisung vom 2. September 1940, ausgestellt von Dr. Hans Posse (1879–1942), haben sich im Bundesarchiv Koblenz erhalten.[15]

Die Nummer K86 auf der Property Card sowie auf der Bildrückseite weist auf die Lagerung des Gemäldes im Depot Kremsmünster hin.[16] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrages Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[17] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[18]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 13. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[19] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt.[20] Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Eine Rückgabe ist vorgesehen.

Bearbeitungsstand: 2021

[1] Vgl. Bundesarchiv (BArch) Koblenz, B323/663, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9030. „History and Ownership: lt. Auskunft Febr. 51 an den CCP: Knapp kaufte das Bild 1937 oder 1938 von Dr. Lachmann, Berlin, Bendlerstr.“.

[2] Für das Folgende vgl. Eidesstattliche Versicherung von Gisella, Alexis und Erwin Lachmann, USA vom 14.05.1957 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[3] Vgl. ebd. und BArch Koblenz, Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, Ernst Lachmann. URL: www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de [Abruf: 20.08.2020].

[4] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9030 und NARA, Washington, D. C., M1946. URL: www.fold3.com/image/270049262 [Abruf: 30.04.2019]. Schreiben von Knapp, Berlin an den CCP München vom 07.02.1951. Siehe auch: BArch Koblenz, B323/331, Bl. 19 (Abschrift des Schreibens von Knapp, 07.02.1951).

[5] Vgl. NARA, Washington, D. C., M1946. URL: www.fold3.com/image/270049262 [Abruf: 30.04.2019]. Schreiben von Knapp, Berlin an den CCP München vom 07.02.1951

[6] Vgl. Anzeige der Mitglieder im Deutschen Reichsverband des Kunsthandels e. V. [Deutscher Reichsverband des Kunst- und Antiquitätenhandels e. V.] Berlin, in: Weltkunst, Jg. 7, 15.10.1933, Nr. 42, S. 4. Für weitere Informationen zum Deutschen Reichsverband des Kunst- und Antiquitätenhandels e. V. siehe: Meike Hopp, Kunsthandel im Nationalsozialismus. Adolf Weinmüller in München und Wien, Kapitel III.1. Die Konstitution des Bundes deutscher Kunst- und Antiquitätenhändler e. V., Köln/Weimar/Wien 2012, S. 37–44.

[7] Die Suche erfolgte über die Internetseite der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, welche die Berliner Adress-, Telefon- und Branchenbücher der Jahre 1707–1991/1992 digitalisiert und online zugänglich gemacht hat. URL: https://digital.zlb.de/viewer/cms/155/ [Abruf: 30.04.2019].

[8] Vgl. Deutsches Historisches Museum, Datenbank zum „Central Collecting Point München“, Mü-Nr. 5454, 5590, 6079, 6385 und 6386.

[9] Vgl. NARA, Washington, D. C., M1946. URL: www.fold3.com/image/270049259 [Abruf: 30.04.2019]. Schreiben des CCP München an Knapp, Berlin vom 31.01.1951.

[10] Für das Folgende vgl. NARA, Washington, D. C., M1946. URL: www.fold3.com/image/270049262 [Abruf: 30.04.2019]. Schreiben von Knapp, Berlin an den CCP München vom 07.02.1951.

[11] Vgl. Auskunft des Bayerischen Wirtschaftsarchivs (BWA), München vom 15.02.2006. Im Archiv für Bildende Kunst des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, Bestand Julius Böhler sind keine Hinweise auf das Werk enthalten.

[12] Für das Folgende vgl. BWA, Findbuch, F 043 – Julius Böhler Kunsthandlung, München. URL: www.bwa.findbuch.net [Abruf 26.07.2019].

[13] Für das Folgende vgl. Timo Saalmann, Langjährige Kontakte. Die Münchner Kunsthandlung Julius Böhler, in: Gekauft – getauscht – geraubt? Erwerbungen zwischen 1933 und 1945, Nürnberg 2017, S. 24–37.

[14] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9030. Laut Auskunft des BWA, München vom 15.02.2006 wurde das Gemälde am 10.09.1940 an das Deutsche Reich verkauft.

[15] Vgl. BArch Koblenz, B323/130, Bl. 180 (Rechnung) und B323/101, Bl. 418 (Zahlungsanweisung).

[16] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9030.

[17] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[18] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

[19] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

[20] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 27.03.2019].

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