Navigation und Service

Makart, Hans

Siesta am Hofe der Mediceer

Entstehungsjahr vor 1875
Technik Öl auf Leinwand
Maße 71,5 x 89,5 cm
Münchener-Nr. 9420
Linz-Nr. 1055
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Hans Makart (1840‒1884) war ein österreichischer Maler.[1] Er gehört zu den herausragenden Schülern des Münchener Künstlers Karl Theodor Piloty (1826–1886), in dessen Atelier er von 1861 bis 1865 Schüler war. Seine anfangs von der dunklen Farbigkeit und Lichtregie Pilotys inspirierten Historienbilder hellten sich im Verlauf seiner künstlerischen Tätigkeit zunehmend auf. Mit der im Jahre 1878 erfolgten Berufung Makarts als Professor für Historienmalerei an die Wiener Akademie begann sein Aufstieg in der Wiener Gesellschaft. Der Künstler avancierte durch seine Gemälde, seine dekorativen Entwürfe und durch sein exotisches und pittoreskes Atelier zum Trendsetter der gründerzeitlichen Gesellschaft. Seine Kolossalgemälde zeigen den Einfluss der dekorativen Großmalerei Frankreichs wie die von Eugène Delacroix (1798‒1863) und nehmen ebenso wie die Porträts Anregungen von Peter Paul Rubens (1577‒1640), Tiziano Vecellio (um 1477‒1576) und Paolo Veronese (1528‒1588) auf. Die Arbeiten zeichnen sich durch starke Sinnlichkeit und üppiges Pathos aus, wodurch er das Zeitalter des Farbenrausches maßgeblich mitprägte. In den 1870er und 1880er Jahren war sein Atelier das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in Wien. Makarts rauschenden Feste sowie seine unbändige Dekorationslust wurden prägend für den Lebensstil der vornehmen Gesellschaft. Anlässlich der Silbernen Hochzeit des österreichischen Kaiserpaares gestaltete er im Jahre 1879 den Festzug der Stadt Wien. Dabei war er maßgeblich für die Entwurfsgestaltung der Renaissance- und Barockkostüme verantwortlich. Sein früher Tod bedeutete gleichzeitig das Ende dieser Ära, denn schon in den späten achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Sezessionskunst von Gustav Klimt (1862‒1918) und Franz von Stuck (1863‒1928) vorbereitet.

Das Gemälde zeigt eine Personengruppe im Freien. Im Vordergrund kniet eine Frau im weißen Kleid an einer Brüstung. Dahinter sind mehrere sitzende sowie stehende Personen dargestellt, links die Musizierenden sowie rechts die Zuhörer vor einer Baumgruppe. Laut Bildtitel handelt es sich um eine Darstellung einer Siesta am Hofe der Medici, deren Palast im Bildhintergrund zu erkennen ist. Bei dem Werk handelt es sich um eine Studie zu dem Gemälde „Siesta am Hofe der Mediceer“ aus dem Jahre 1875, welches sich in Bundeseigentum befindet.[2] Im Gegensatz zum ausgeführten Gemälde ist die Studie brillanter in den Farben und pastoser im Farbauftrag. Zudem sind einige kompositionelle Änderungen in der Anordnung des Bildaufbaues zu verzeichnen.[3] Derartige Gesellschaftsszenen eines opulenten Festes in antiker Kleidung gehörten zu den beliebtesten Gegenständen in einer ebenfalls antikisierenden Landschaft.

Das Werk ist weder signiert noch datiert. Über die Entstehungszeit der Studie ist nichts bekannt.[4] In der neueren Forschung wird angenommen, dass sie einer endgültigen Fassung aus dem Jahre 1875 unmittelbar vorausgegangen ist.[5]

Folgende Hinweise sind der Rückseite zu entnehmen: „1055“ (Linz-Nr.); „K326“ (Kremsmünster); in Blau „Neue Galerie“ (Kunsthandlung, Wien).[6]

[1] Für das Folgende vgl. Ludwig Horst/ Baranow Sonja/Beck Rainer, Bruchmanns Lexikon der Münchner Kunst. Münchner Maler des 19. Jahrhunderts, Bd. 3, München 1982, S. 96‒101.

[2] Vgl. Hans Makart, Siesta am Hofe der Mediceer (endgültige Fassung) [Siesta am Hofe der Medici], (1875), Öl auf Holz, 56,7 x 83,7 cm, Mü-Nr. 5686. URL: https://kunstverwaltung.bund.de/SharedDocs/Provenienzen/DE/5000_5999/5686.html?nn=485758 [Abruf: 29.05.2020].

[3] Für das Folgende vgl. Böller 2003, S. 140.

[4] Für das Folgende vgl. Ausst.kat. Makart, Staatliche Kunsthalle, Baden-Baden, 23.06.–17.09.1972, S. 30, Kat 8.

[5] Auf der zugehörigen Property Card ist als Entstehungsdatum „um 1864“ vermerkt. Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9420.

[6] Vgl. ebd.

Provenienz

Zeittafel
Bis 26.03.1885 Nachlass des Künstlers, angeboten auf dessen Nachlassauktion bei der Galerie H. O. Miethke, Wien
(…) 
Mindestens bis Juli 1938Gabriele Oppenheimer (1854–1943), Wien 
Nach August 1940Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“), erworben über die Neue Galerie, Wien
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
15.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2009Bundesvermögen
2009Restitution

Das Gemälde befand sich bis zum Tod des Künstlers im Jahre 1884 in dessen Eigentum.[1] Es stand im Rahmen der Versteigerung des künstlerischen Nachlasses von Makart sowie dessen Kunst- und Antiquitätensammlung am 26. März 1885 bei dem Wiener Auktionhaus H. O. Miethke zum Verkauf. Im zugehörigen Auktionskatalog ist es unter Losnummer 35 verzeichnet. Ob das Werk im Rahmen der Auktion einen Käufer fand, ist nicht bekannt.

Mindestens bis Juli 1938 war das Werk Teil der Sammlung von Baronin Gabriele Oppenheimer (1854–1943), geborene Todesco, Wien.[2] Diese war verheiratet mit Baron Ludwig Oppenheimer (1843–1909). In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Oppenheimer als Jüdin verfolgt und gezwungen, aufgrund der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ vom 26. April 1938 eine Vermögensanmeldung bei den nationalsozialistischen Behörden abzugeben.[3] In ihrem Vermögensverzeichnis vom 12. Juli 1938 wird das Gemälde nicht namentlich genannt. Jedoch ist es in einer zuvor angefertigten Schätzliste ihrer Wohnungseinrichtung vom 21. Juni 1938 unter dem Titel  „Studie zu einer Allegorie“ mit einem Wert von RM 150,- verzeichnet.[4]

Im Zuge der folgenden Räumung der Wohnung von Oppenheimer übernahm die Wiener Kunsthändlerin Dr. Viktoria (Vita) Maria Künstler (1900–2001) das Gemälde zusammen mit einem weiteren Werk des Malers Hans Canon (1829–1885).[5] Künstler war als langjährige Mitarbeiterin für die Neue Galerie in Wien tätig.[6] Diese wurde im Jahre 1923 von Otto Kallir-Nirenstein (1894–1978) gegründet, der sich als bedeutender Förderer österreichischer Kunst verdient machte und in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Gabriele Oppenheimer stand.[7] Im Zuge seiner Emigration in die USA im Jahre 1938, übertrug Kallir die Leitung der Galerie an Künstler, die das Haus bis 1952 führte.[8]

In einem Schreiben an den Central Collecting Point (CCP) München betonte Künstler, dass sie aufgrund des kollegialen Verhältnisses zu Kallir „in bestem Kontakt“ zur Baronin gestanden habe und auf deren ausdrücklichen Wunsch die beiden Gemälde verkauft habe.[9] Weiterhin erwähnte die Kunsthändlerin, dass sie nach Kriegsende die restlichen Bilder aus dem Besitz der Baronin an die Erben, Hermann Oppenheimer (1901–1977) und Ludwig Oppenheimer (1908–1972), zurückgegeben habe.

Im Jahre 1940 wurde das Gemälde im Rahmen der Makart-Gedächtnisausstellung in Salzburg, die unter der Schirmherrschaft von Herrmann Göring (1893–1946) stattfand, ausgestellt.[10] Laut zugehörigem Ausstellungskatalog war es zu jenem Zeitpunkt in „Wiener Privatbesitz“. Höchstwahrscheinlich handelte es sich hierbei um die Sammlung von Baronin Gabriele Oppenheimer.

Über die Neue Galerie in Wien wurde das Werk zu einem unbekannten Zeitpunkt durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nummer 1055.[11] Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb nach August 1940 hin.[12] Der erzielte Verkaufspreis für das Werk wurde während des Krieges auf das beschränkt verfügbare Sicherungskonto von Oppenheimer bei der Kreditanstalt-Bankverein Wien hinterlegt.[13]

Die Nummer K326 auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin.[14] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[15] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[16]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 15. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[17] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9420. Siehe hierzu auch: Auk.kat. Katalog des künstlerischen Nachlasses und der Kunst- und Antiquitäten-Sammlung von Hans Makart,  Auktionhaus H. O. Miethke, Wien, 26.03.1885, Los 35.

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9420 und Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Wien, VA. 9.096, „Verzeichnis über das Vermögen von Juden“, Gabriele Oppenheimer, Wien vom 12.07.1938.

[3] Für das Folgende vgl. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Wien, VA. 9.096, „Verzeichnis über das Vermögen von Juden“, Gabriele Oppenheimer, Wien vom 12.07.1938.

[4] Vgl. ÖStA, AdR, Wien, VA. 9.096, Schätzung der Wohnungseinrichtung von Baronin Gabriele Oppenheimer durch den Sachverständigen Ottokar Weige, Wien vom 21.06.1938, S. 7.

[5] Vgl. Bundesarchiv (BArch) Koblenz, B 323/332, n. pag., Schreiben von Künstler, Wien an den CCP, München vom 16.11.1951. Bei dem zweiten Werk handelt es sich um das Gemälde „Knabe im Matrosenanzug“ von Hans Canon, das ebenfalls durch das Deutsche Reich erworben und später im CCP München unter der Mü-Nummer 11096 inventarisiert wurde.

Baronin Gabriele Oppenheimer lebte nach Räumung ihrer Wohnung im Rothschildspital in Wien.  Im Folgenden zog sie zu ihrem Enkel Hermann Oppenheimer (1901–1977) nach Vöcklabruck in Oberösterreich, wo sie im Jahre 1943 verstarb. Vgl. ebd.

[6] Für das Folgende vgl. Belvedere, Wien, Archiv der Neuen Galerie. URL: www.belvedere.at/forschung/archiv [Abruf: 10.06.2020].

[7] Vgl. Bundesarchiv (Barch) Koblenz, B323/332, n. pag., Schreiben von Künstler, Wien an den CCP, München vom 16.11.1951.

[8] Vgl. Belvedere, Wien, Archiv der Neuen Galerie. URL: www.belvedere.at/forschung/archiv [Abruf: 10.06.2020].

[9] Für das Folgende vgl. BArch, B 323/332, n. pag., Schreiben von Künstler, Wien an den CCP, München vom 16.11.1951.

[10] Für das Folgende vgl. Auk.kat. Hans Makart Gedächtnis-Ausstellung, Salzburg, Mai 1940, S. 10, Kat. 14, „Privatbesitz Wien“.

[11] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9420.

[12] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004 (unpubliziert), S. 14.

[13] Vgl. BArch, B 323/332, n. pag., Schreiben von Künstler, Wien an den CCP, München vom 16.11.1951.

[14] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

[15] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[16] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

[17] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular