Canon, Hans (eigentlich Johann Strašiřipka)
Porträt Stephanie Gräfin Wurmbrand-Stuppach (Bildnis einer jungen Frau mit Kreuz auf der Brust)
Entstehungsjahr | 1876 |
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Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 71,5 x 58,5 cm |
Münchener-Nr. | 9432 |
Linz-Nr. | 745 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Hans Canon (1829–1885, eigentlich Johann Strašiřipka) war ein österreichischer Historien- und Porträtmaler.[1] Canon nahm im Jahre 1847 vermutlich einige Monate Privatunterricht bei Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865), bildete sich jedoch vornehmlich autodidaktisch weiter. Zu Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit malte er fast ausschließlich Porträts. 1861 entstand eine Serie politischer Karikaturen, die ein Jahr später zum Umzug Canons von Wien nach Karlsruhe führten. Dort unterhielt der Künstler ein Privatatelier, das zahlreiche Schüler anzog. 1869 übersiedelte Canon nach Stuttgart. Es folgten Reisen nach Spanien, Algerien und Italien. Um 1873 kehrte Canon in seine Heimatstadt Wien zurück, wo er sich neben Hans Makart (1840–1884) zu einem der führendsten Künstler entwickelte. Seine Verbindung zum Hochadel und der gehobenen Wiener Gesellschaft sicherten Canon im Kunstleben der Stadt eine namhafte Position. Er war u. a. Mitglied sowie von 1882 bis 1884 stellvertretender Vorstand der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, ab 1873 Ritter des Franz Joseph-Ordens sowie ab 1883 Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste.
Bei dem Gemälde handelt es sich um das Brustbild einer Frau im Dreiviertelprofil nach links. Die Dargestellte trägt ein dunkles Kleid mit Halskrause sowie ein Kreuz auf der Brust. Als Werktitel ist sowohl „Porträt der Gräfin Stephanie Wurmbrand-Stuppach“[2] als auch „Bildnis einer jungen Frau mit Kreuz auf der Brust“[3] überliefert.
Das Werk ist signiert und datiert „Canon 1876“.
Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „9432“ (Mü-Nr.); „K471“ (Kremsmünster); „745/599“ (Linz-Nr.); auf der Leinwand, Stempel [unleserlich]; auf dem Rahmen, handschriftlich „6901“ (nicht identifiziert), Etikett „Stransky“ (Felix Stransky), Wien.
[1] Für das Folgende vgl. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 13, Wien 2009, S. 359f. URL: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_S/Straschiripka_Johann-Bapt_1829_1885.xml [Abruf: 05.12.2018].
[2] Vgl. Schreiben des Museums Ostdeutsche Galerie, Regensburg an die OFD, Berlin vom 11.03.2003.
[3] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9432.
Provenienz
(…) | |
Spätestens ab 1938–Mai 1939 | Felix Stransky (1871–1945), Wien |
Mai–Juli 1939 | Galerie Almas, München |
Seit Juli 1939 | Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“) |
Ab Sommer 1943 | Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee |
15.10.1945 | Eingang in den Central Collecting Point München |
1949–2006 | Bundesvermögen |
2006 | Restitution |
Das Gemälde „Porträt Stephanie Gräfin Wurmbrand-Stuppach“ war einst Teil der Sammlung von Felix Stransky (1871–1945).[1] Stransky war als Bankdirektor in Wien tätig und verheiratet mit Rosa Stransky, geborene Hochmann. Das Ehepaar hatte zwei Kinder. Als Jude zählte Stransky zum Personenkreis der rassisch Verfolgten des NS-Regimes. Er war vom 25. Mai 1943 bis zum 8. Juli 1945 im Konzentrationslager Theresienstadt interniert[2] und verstarb im Jahre 1950 in Wien.
Wann und auf welchem Wege das Gemälde in sein Eigentum gelangte ist nicht bekannt. Zwar war Stransky im Zuge der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ vom 26. April 1938 gezwungen, sein gesamtes Vermögen den Behörden zu melden, darunter auch Kunstgegenstände. Allerdings erscheint das Werk in seinem Vermögensverzeichnis vom Juli 1938 nicht namentlich.[3] Als Eigentumsnachweis dient jedoch die „Reichsliste national wertvollen Kulturguts“ aus dem Jahre 1938. Hier ist das Gemälde als Eigentum Stranskys gelistet.[4]
Im Mai 1939 verkaufte Stransky das Werk zusammen mit zwei weiteren Gemälden aus seiner Sammlung an die Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich für insgesamt RM 10.000,-.[5] Weitere Wertgegenstände aus dem Eigentum Stranskys wurden zwischen Juni und August 1939 durch das staatliche Auktionshaus Dorotheum Wien erworben.[6]
Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[7] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[8]
Die Nummer K471 auf der Property Card sowie auf der Bildrückseite weist auf die Lagerung des Gemäldes im Depot Kremsmünster hin.[9] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrages Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[10] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[11]
Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 15. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[12] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.
Die Provenienz ist geklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.
Bearbeitungsstand: 2018
[1] Für das Folgende vgl. Österreichisches Biographisches Lexikon, 1815–1950, Bd. 13, Wien 2004, S. 357f. URL: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_S/Stransky_Felix_1871_1950.xml [Abruf: 19.11.2018] und Auskunft der Erben nach Felix Stransky vom 23.12.2002.
[2] Vgl. Ö. V. P. Kameradschaft der politisch Verfolgten Wien, Mitgliedskarte Nr. 964, Felix Stransky, 30.11.1949
[3] Vgl. Verzeichnis über das Vermögen von Juden, Felix Stransky, Juli 1938 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.
[4] Vgl. Auskunft der Österreichischen Kommission für Provenienzforschung, Wien vom 07.08.2002. Die Auskunft bezieht sich auf Unterlagen im Archiv des Bundesdenkmalamtes Wien zu Felix Stransky.
[5] Vgl. Schreiben von Felix Stransky, Wien an die Abteilung Vermögensanmeldung der Vermögensverkehrsstelle, Wien vom 27.05.1939 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.
[6] Vgl. Dokumente zum Ankauf ablieferungspflichtiger Wertgegenstände von Felix Stransky durch das Dorotheum Wien, Öffentliche Ankaufsstelle nach § 14 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 26.06.1939 und 30.08.1939 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.
[7] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv (BWA), München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.
[8] Vgl. National Archives and Records Administration (NARA), Washington, D. C., RG 260, 519, Box 445.
[9] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9432.
[10] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.
[11] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.
[12] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.